Rezension

Eine Reise mit dem Greyhound-Bus, ohne Ziel und ohne Sinn

Willkommen in Lake Success - Gary Shteyngart

Willkommen in Lake Success
von Gary Shteyngart

~~Willkommen in Lake Success – Gary Shteyngart
 
Was anfangs als Parodie auf die Mächtigen der amerikanischen Finanzbranche und als beißende Gesellschaftskritik gelesen werden kann, verliert sich am Ende in geschmacklosen Episoden, die immer unplausibler werden.

Hals über Kopf bricht Barry Cohen aus seinem unglücklichen Luxusleben aus, entsorgt Handy und Kreditkarte. Auf seiner ereignisreichen Reise mit einem Greyhound-Bus quer durchs Land, erkennt er, dass er jahrelang in einer Blase der Reichen und Perfekten lebte. Das echte Amerika ist ihm weitgehend fremd. Auf der Suche nach dem echten Amerika und einem einfacheren Leben durchquert er es von Ost nach West. Erstes Hauptziel ist seine Jugendliebe Leyla, von der er annimmt, dass sie all die Jahre nur auf ihn gewartet hat.
Barry ist eine selbstverliebte, unsympathische Katastrophe. Beruflich zwar erfolgreich (Multimillionär), menschlich aber ein Desaster mit hohem Fremdschäm-Faktor. Er verkörpert eine besondere Art des American Dream. Vom Sohn des Poolreinigers zum Millionär und wieder zurück, oder so ähnlich.
Ein Grund für Barrys Flucht ist sein autistischer Sohn. Dieser passt nicht in seine perfekte Welt, stellt für seine Eltern einen Makel dar. Dieses Thema finde ich durchaus sensibel beschrieben.

Der Leser muss damit klarkommen, dass mindestens der Hauptprotagonist sich wie ein absoluter Kotzbrocken verhält, Ähnlichkeiten zu Trump, den Barry nur deshalb nicht wählt, weil er Witze über Behinderte macht, sind unverkennbar. Und ja, zumindest teilweise ist es satirisch überspitzt und nicht ganz ernst zu nehmen, trotzdem könnte ich mich mit Barrys Frauenbild und zügellosen Trieben nicht anfreunden. Vor allem aber sehe ich auch den Sinn dahinter nicht, warum diese Aspekte so extrem hervorgehoben wurden.

Shteyngart zeichnet ein Bild Amerikas im Jahr vor Trump. Gerade der Anfang erschien mir als gelungene Mischung aus Gesellschaftskritik und Humor. Oft derb mit deftigen Anspielungen und Seitenhieben, aber durchaus treffend. Es ist unheimlich viel versteckt, wovon ich mit Sicherheit nicht alles überhaupt erkannt habe.
Für mich hat dieses Buch stark begonnen, mit vielen kleinen Spitzen und Satireelementen, leider hat es ab der Hälfte des Romans stark nachgelassen. Ich hatte mir ein umfassenderes Bild Amerikas kurz vor Trumps Amtszeit erhofft. Gerne auch als Satire aufgearbeitet.  Im ersten Teil wirkt es noch so, als könnte der Roman entsprechendes liefern, doch dann driftet er in Banalitäten und sinnlose Provokation ab. Bis zum Ende ist keinerlei wirkliche Entwicklung des Protagonisten erkennbar, der Nervfaktor sehr hoch.

Keine Frage, dieses Buch polarisiert und provoziert. Am Ende war für mich aber keine klare Message erkennbar. Mein Eindruck ist, der Autor hat sich zu viel vorgenommen, zu viele Themen angerissen, und am Ende keines vernünftig umgesetzt