Rezension

Eine romantische und moderne Liebesgeschichte... Nein, doch nicht.

Töchter des Windes - Nora Roberts

Töchter des Windes
von Nora Roberts

Bewertet mit 1.5 Sternen

Achtung, diese Rezension enthält Sarkasmus, Feminismus und sexuelle Ausdrücke.

So, Liebesromane sind eigentlich überhaupt nicht mein Genre. Allerdings habe ich mich auch schon mal überraschen lassen: Elizabeth Harans Australien-Romane habe ich zum Beispiel eine Zeit lang regelrecht verschlungen. Ich ging also ohne viele Erwartungen, aber auch ohne Vorurteile an diesen Roman, den ich irgendwann mal irgendwo umsonst mitgenommen habe. Und bereits nach den ersten zwanzig Seiten hätte ich es am liebsten in die Ecke gepfeffert. Leider hatte ich gerade kein anderes Buch zur Hand und habe weiter gelesen. Und ab der fünfzigsten Seite habe ich mich vor allem darauf gefreut, diesen Verriss... ähm, diese Rezension zu schreiben.

Also, wer noch nicht verstanden hat, dass der Inhalt dieser Rezension kein Lobgesang auf die Romantik wird, sollte diese Seite sofort verlassen. Auch Menschen, die es doch immer wieder überrascht, dass in Liebesromanen Liebesbeziehungen geführt werden, sollten, wenn sie nicht gespoilert werden wollen, schnellstens das Weite suchen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sind wir jetzt unter uns? Gut. Zunächst einmal zum Inhalt: Der geheimnisvolle, stinkreiche, erfolgreiche und dabei wahnsinnig gutaussehende Krimiautor Gray Thornton zieht sich für die Arbeit an seinen neuen Roman in eine kleine irische Pension zurück. Dort trifft er auf die junge, häusliche, liebevolle, ebenfalls unglaublich attraktive und noch jungfräuliche Pensionswirtin Brianna. Noch ein bisschen tragische Vergangenheit auf beiden Seiten, fertig ist das Klischee. Na gut, von einem Liebesroman erwartet man ja auch keine ungewöhnlichen Charaktere und überraschende Wendungen, aber so simpel wurde das klassische Konzept wohl noch nie umgesetzt.

Für mich aber sind das Entscheidende an jeder Geschichte die Nachvollziehbarkeit der Charaktere. Ich werde mal einen kurzen Steckbrief Briannas skizzieren:

Ihr Beruf: Pensionswirtin, ihre Hobbies sind Waschen, Putzen, Kochen, Backen, Gartenarbeit und Kleidung für alle Babies der Nachbarschaft Stricken. Das ist nämlich ihr eigentlicher Berufswunsch, wie man schon in den ersten Kapiteln merkt: Mutter. Ihre Pensionsgäste zu bemuttern ist nur Ersatz dafür. Außerdem lässt sie sich gerne von einem Mann, den sie gerade erst kennengelernt hat, Verantwortung für ihre Finanzen und ihr Auto abnehmen. Und wenn er sie fast vergewaltigt, blaue Flecke an ihren Armen hinterlässt, lässt sie sich dann von ihm trösten. Also eine richtige Emanze!

Gray ist, wie gesagt, geheimnisvoll. Neben seinem Beruf des Schreibens liest er viel und schaut sich gerne die Gegend an. Vom ersten Augenblick, als er seine Pensionswirtin sieht, will er unbedingt seinen Penis in sie hineinstecken. Außerdem ist er launisch – ein Künstler halt! Wenn man ihn beim Schreiben stört, muss man eben mit etwas Ruppigkeit rechnen! Am meisten macht es ihn an, wenn er Brianna beim Bettenmachen, Putzen oder der Gartenarbeit sieht – halt da, wo eine Frau hingehört. Und dann kann er sich einfach nicht mehr zurückhalten. Ist doch klar: Kein Mann kann eine solche Frau runlaufen lassen ohne sie zu entjungfern. Aber nein, es ist ja kein Kriminalroman. Also küsst er sie nur ein paar Mal gegen ihren Willen, hält sie brutal fest und sie verliebt sich ebenfalls ihn ihn. Dann ist das ja nicht mehr so schlimm, oder?

Ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht zu viel über die Geschichte verraten... Wenn, täte es mir furchtbar Leid.

So, mal kurz ernsthaft. Teilweise hat mich die Sprache im Roman echt absorbiert. Für einige Seiten habe ich sogar den Sexismus vergessen. Größtenteils war die Sprache leicht und es waren auch einige schöne Bilder drin. Aber manchmal trieb sie auch echt Blüten! Ein paar Beispiele:

„Hier […] roch er Gras und Kühe, das Salz des Meeres und den schwachen Duft des Rauches, der aus dem Kamin eines Cottages stieg.“ Soweit, so schön. Ganz nett, wenn auch ein wenig schmalzig. Der darauffolgende Satz jedoch: „Der Wind sang in den Gräsern, die Schwänze der Kühe schwangen leise zischend hin und her, und ein Vogel feierte mit seinem fröhlichen Gesang den Tag.“ Abgesehen davon, dass hier offensichtlich englische Interpunktion verwendet wurde und der „singende Wind“ ein furchtbar ausgelutschtes Bild ist... (S. 63)

Ich bitte euch! Vielleicht bin ich auch ein bisschen zu sehr Landkind, um die Romantik darin zu sehen, aber ich habe noch nie, wirklich NIE, die Schwänze von Kühen zischen gehört.

Das war nur ein Beispiel von vielen. Am lustigsten ist es jedoch, wenn es erotisch werden soll. Oder war das so gedacht, dass man bei diesen Stellen in Gelächter ausbricht?

„Sie begehrte ihn mit der Begierde einer Frau.“ (S. 120) Mit wessen sonst? Der ihres irischen Wolfshundes?

Vielleicht gar nicht mal so weit hergeholt: Schließlich schnurren und knurren die beiden ständig, wenn sie erregt sind. Ist ja ein halber Zoo. Wir haben ja schon festgestellt, dass Männer wilde Tiere werden und sich nicht zurückhalten können, wenn sie erregt sind (s. o.).

In die Details der Beschreibungen möchte ich hier nicht vertiefen: Schließlich soll die Rezension einigermaßen jugendfrei bleiben. Nur noch eines: Was für Vorstellung werden dort von männlichen Körpern vermittelt? Nicht nur ständig geil, siehe oben, sondern insgesamt „eine erstaunliche Kreation, viel schöner als in ihrer [Briannas] Phantasie. Die langen, muskulösen Arme waren stark genug, um sie hochzuheben, und zugleich sanft genug, um sie zu halten, als wäre sie zerbrechlich.“ (S. 240) Ah ja... Abgesehen davon, dass es eigentlich unmöglich ist, dass Gray ohne Training so muskulös ist... Wieso soll man davon ausgehen, dass das nun mal „zum männlichen Körper“ gehört? Was ist mit den Männern, die keine mindestens 50 kg schwere, erwachsene Frau hochheben können? Weiter geht es mit „Die starken Hände mit den langen Fingern wußten genau, wo es eine Frau zu berühren und zu liebkosen galt.“ Das ist ja schließlich bei jeder Frau gleich. Und die Finger wissen das von alleine. Das Gehirn des Mannes funktioniert ja beim Sex nicht so gut. Es macht einen wahnsinnig!

Zudem musste ich mich außerdem immer wieder daran erinnern, dass der Roman in den 1990ern spielt und nicht 50 Jahre früher. Zum einen wäre Brianna wohl eine perfekte Frau aus der Mitte des letzten Jahrhunderts (s. o.). Aber eigentlich habe ich mich vor allem gewundert: Sind die alle zu blöd zum Verhüten? Als Briannas Mutter sie fragt, was wohl passieren würde, wenn Gray sie schwängern und verlassen würde (die Frau ist beim Zeugungsakt ja absolut passiv), antwortet die junge Frau nicht etwa, dass sie durchaus wüsste, wie man verhütet. Sie sagt bloß, dass es ja nur sie selber etwas angehe.(S. 272f.) Tatsächlich. Kondome werden, offensichtlich, nicht benutzt. Und wieso sollte eine Jungfrau, die befürchtet als solche zu enden, die Pille nehmen? Tatsächlich ein Wunder, dass das Buch nicht mit ihrer Schwangerschaft endet.

Zusammenfassung/Fazit: So, obwohl ich das Buch an diesen Stellen am liebsten sofort weggeworfen hätte, war es eigentlich ganz OK. Zwischendurch war es ansprechend und am Ende gab es eine wirklich lustige Episode, in der ein Gaunerpärchen in Rente bei Brianna absteigt. Aber alle Charaktere sind flach und stereotyp. Und für eine Feministin, oder nur jeden modernen Menschen, ist der Roman furchtbar reaktionär und sexistisch.

Anmerkung: Die Seitenzahlen sind aus der deutschen Erstveröffentlichung 1998 aus dem Blanvalet Verlag.

Kommentare

Madlenchen kommentierte am 31. März 2015 um 10:49

Mein Gott ist diese Rezension genial. xD Ich hab mich grad fast ein bisschen bepinkelt vor lachen. :DDDD

Naoki kommentierte am 01. April 2015 um 10:07

Danke :)