Rezension

Eine roter (Bluts-) Faden zieht sich durch die Generationen…

Die Farbe meines Blutes
von Denene Millner

Bewertet mit 4 Sternen

Mit „Die Farbe meines Blutes“ hat die Autorin Denene Millner einen emotionalen Roman über die Diskriminierung afroamerikanischer Frauen im privaten und öffentlichen Bereich verfasst. Voller Leidenschaft schildert sie über 3 Generationen hinweg die Schicksale dreier Frauen, durch deren Leben sich wie ein roter (Bluts-)Faden eine vergleichbare Einschränkung der persönlichen Freiheit zieht. Immer wieder taucht dabei die Frage auf, was Familie bedeutet, ob man nur durch Blutsverwandtschaft verbunden ist oder ob es nicht doch eine allumspannende Verbindung zwischen allen Menschen gibt, die keine Unterschiede zwischen Herkunft, Kultur oder Religion macht.
Der Roman spielt zwischen 1965 und 2004. In drei verschiedenen Episoden lernen die LeserInnen Grace, Delores und Rae kennen. Grace wurde ihre Tochter Rae gegen ihren Willen kurz nach der Geburt weggenommen und diese wurde dann von Delores und ihrem Mann adoptiert. Delores selbst ist ebenfalls in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen und hat in ihrer Kindheit Traumatisches erleben müssen. All das wirkt sich auf die Beziehung zu Rae aus und führt dazu, dass Delores recht zynisch auf die Welt und die gesellschaftliche Situation der afroamerikanischen Frauen (aber auch Männer) blickt.  Die Lebens- und Leidenswege der drei Frauen ähneln sich, aber auch wenn verdeutlicht werden soll, dass sie über Generationen hinweg belastende Erfahrungen gemein haben, hätte ich mir doch gewünscht, dass die verschiedenen Charaktere auch sprachlich besser unterscheidbar gewesen wären. Die Autorin verwendet für alle Drei denselben Erzählstil und hier wäre sicher mehr Varianz und sprachliche Flexibilität möglich gewesen.
Wie gesagt, wird trotz der unterschiedlichen Zeitebenen, in denen der Roman spielt, deutlich, dass sich das Problem der Unterdrückung und Diskriminierung durch die Jahrzehnte zieht und auch immer noch relevant ist. Zwar mag der öffentlich zur Schau gestellte Rassismus im Laufe der Zeit weniger werden, latent ist er aber immer noch vorhanden. Besonders die Beschneidung der persönlichen Freiheit im privaten, familiären Bereich bleibt für die Frauen im Roman in konstantes Problem und sie müssen für ihre Emanzipation noch viel härter kämpfen als die Männer. Dieser feministische Ansatz lässt sich sicher auch auf weiße Frauen beziehen, weswegen „Die Farbe meines Blutes“ vermutlich auch viele Leserinnen ansprechen dürfte, aber die Situation der schwarzen Frauen ist aufgrund ihrer doppelten Diskriminierungserfahrung noch einmal ungleich stärker. Da die Autorin selbst Afroamerikanerin ist, kann sie hier die Perspektive der Protagonistinnen authentisch und in sehr leidenschaftlicher Sprache wiedergeben.
Dennoch hatte der Roman für mich teilweise seine Längen und die vielversprechende Handlung und Thematik wirkte etwas in die Länge gezogen. Gerade aufgrund seiner Emotionalität und Brisanz hätte ihm ein komprimierterer Handlungsablauf gutgetan, sodass mehr Tempo in die Lektüre gekommen wäre und es mich beim Lesen mehr mitgerissen hätte. Auch wirkte der gesamte Erzählstil –  wie oben bereits angedeutet – wenig ambitioniert auf mich. Da wäre sicher gerade hinblicklich der starken Gefühle, die in dem Buch thematisiert werden, mehr möglich gewesen! Denn dass „Die Farbe meines Blutes“ ein aufwühlender Roman ist, ist keine Frage. Gerade wenn er im letzten Teil in den 2000ern spielt, ist es erschreckend, wie präsent der Alltagsrassismus immer noch ist und wie wenig sich in vielerlei Hinsicht seit Mitte des 20. Jahrhunderts für Frauen wie Grace, Delores oder Rae geändert hat. Der resignierte, teils pessimistische Blick auf die Welt der Protagonistinnen wird so verständlich, auch wenn der Roman dadurch eine leicht deprimierende Atmosphäre bekommt. Inwiefern die Emanzipation, sei es im privaten oder sei es im gesellschaftlichen Bereich, am Ende gelingt und die Autorin so doch noch einen Hoffnungsschimmer in Aussicht stellt, will ich hier natürlich nicht verraten. Aber die Botschaft, die der Roman vermittelt, ist auf jeden Fall politisch und gesellschaftlich hoch aktuell und wer immer sich für die Themen Feminismus, Rassismus oder Alltagsdiskriminierung interessiert, sei die Lektüre dieses Romans empfohlen. Der rote (Bluts-)Faden ist definitiv zu erkennen!