Rezension

Eine schwarzhumorige, makabre Tragikomödie

Dweller - Jeff Strand

Dweller
von Jeff Strand

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der achtjährige Toby Floren ist ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern gemobbt wird. Ruhe und Seelenfrieden findet er nur im nahegelegenen Wald, wo er seiner lebhaften Fantasie freien Lauf lassen und sich in Heldenträumen verlieren kann. Doch eines Tages begegnet er dort einem riesigen, haarigen Monster, dessen Zähne und Klauen furchteregender nicht sein können. Er flieht und niemand glaubt ihm diese Begegnung. Nachem er den ersten Schreck überwunden hat, siegt die Neugier und er macht sich auf die Suche nach dem Wesen. Zwischen beiden entspinnt sich eine zunächst zarte Freundschaft, die mit der Zeit immer bedingungsloser wird. Es ist praktisch einen solchen Freund wie Owen zu haben, wenn man von gewissen Mitschülern schikaniert wird ...

Leseeindruck

"Dweller" ist mein erster Roman des Autors Jeff Strand und war für mich definitiv eine Leseerfahrung der anderen Art: Skurril, schwarzhumorig, stellenweise recht blutig, abgedreht, makaber aber auch tragisch und sozial-/gesellschaftskritisch. Ein modernes Märchen, vielleicht auch eine Parabel und im ersten Drittel auch ein Coming Of Age-Roman.

Der Schreibstil ist einfach, beinahe kindlich und salopp, was anfangs sehr gut passt, da unser Protagonist Toby ja selbst noch ein kleiner Junge ist, der mit einer lebhaften Fantasie, in die er sich oft zurückzieht, gesegnet ist. Im Verlauf der Geschichte, die auch Tobys Lebensgeschichte ist, hätte ich mir eine etwas ernstere, erwachsenere Erzählweise gewünscht. Nichtsdestotrotz gewöhnt man sich an die Sprache, zumal diese den Lesefluss stark vorantreibt.

Strand bedient sich einer besonderen Erzählweise. Wir begleiten Toby von seinem achten Lebensjahr an bis in seine Sechziger. Erleben Höhen und Tiefen (okay meistens Tiefen, denn Toby bekommt sein Leben nur bedingt auf die Reihe), doch immer ist Owen das Monster, sein bester und einziger Freund, an seiner Seite. Ihm vertraut er sich an, bringt ihm eine Art Gebärdensprache bei und findet Trost in seiner Gesellschaft. Owen selbst ist ebenso einsam, ein Außenseiter wie Toby, der sich nach Nähe und Geborgenheit sehnt. Die ungewöhnliche und geheime Freundschaft gibt beiden Halt in einer Welt, die nichts für Außenseiter übrig hat. Und doch birgt sie auch eine große Gefahr, denn sie ist bedingungslos und isoliert sie beide so immer mehr von ihrer Außenwelt. Jeder Versuch, ihre Verbundenheit zu offenbaren, ist zum Scheitern verurteilt und endet in einer Katastrophe. Andersartigkeit wird nicht akzeptiert oder toleriert, grenzt aus und zwingt Toby und Owen ins Abseits. Es entwickelt sich eine rückhaltlose Abhängigkeit der beiden voneinander, die schlussendlich nur in einer Tragödie münden kann – oder gibt es vielleicht doch Hoffnung auf Akzeptanz? Hier schimmert meines Erachtens die Gesellschaftskritik sehr schön durch.

Der Lauf der Zeit und das Phänomen, das diese gefühlt schneller verrinnt je älter man wird, spiegelt sich im Stil des Autors wider. Die Kapitel werden im Verlauf des Romans kompakter und die Abschnitte innerhalb der Kapitel markanter in ihrer Aussage. Das Tempo steigert sich und oft wird beispielsweise ein Jahr mit nur einem Satz beschrieben. Ein Kind sieht mehr und anders, die Welt und die Sicht auf die Dinge wird immer kleiner mit zunehmendem Alter. Eine wichtige Botschaft, die der Autor hier zu vermitteln versucht: Innehalten und den Blick für das Wesentliche, das Essenzielle nicht verlieren.

Für mich etwas schwierig waren die Charaktere – allen voran natürlich Toby. Ich haben keinen richtigen Zugang zu ihm gefunden, beziehungsweise ihn immer wieder verloren. Er macht meines Erachtens keine angemessene Entwicklung durch, und das obwohl wir ihn über ein halbes Jahrhundert hinweg begleiten. Seine Gedankengänge waren für mich nicht immer nachvollziehbar. Tatsächlich konnte ich mich besser in Owen einfühlen, obwohl dieser nur rudimentär kommuniziert. Womöglich vom Autor so beabsichtigt, dennoch trübte es mein Lesevergnügen ein wenig.

Fazit

Mit "Dweller" ist Jeff Strand ein durchaus spannender Roman gelungen, der (wenn man aufmerksam liest) mit Vielschichtigkeit zwischen den Zeilen punkten kann. Das zugrundeliegende ernste Thema regt zum Nachdenken an, wird aber durch einen wunderbar schwarzen Humor und einem einfachen Schreibstil aufgefangen und büßt deshalb keinerlei Unterhaltungswert ein. Insgesamt also eine unkonventionelle Tragikomödie, die gut unterhält und im Kopf bleibt - trotz kleinerer Schwächen.