Rezension

Eine sehr gelungener historischer Roman, der im bezaubernden Wiesbaden spielt.

Das Brunnenmädchen - Martina Frey

Das Brunnenmädchen
von Martina Frey

Meine Meinung

Oh, wie habe ich mich gefreut endlich mal wieder nach Wiesbaden reisen zu können. Okay, zwar nur gedanklich, aber dafür ging es immerhin in die Vergangenheit. Damals war es bestimmt noch schöner in der hessischen Landeshauptstadt. Die wunderschönen alten Gebäude kann man größtenteils heute noch bewundern, aber damals hatte es noch ein ganz anderes Flair mit dem Kurbetrieb und den promenierenden Kurgästen ist ihren eleganten Kleidern. Schön, dass Martina Frey den Leser in diese Zeit entführt.

Die Autorin konnte mich direkt mit ihrem Schreibstil überzeugen. Nach ein paar Sätzen tauchte ich in die Geschichte ein und merkte überhaupt nicht mehr wie schnell die Zeit verging. So muss ein Buch sein, dass man alles um einen herum vergessen kann.

Sophie ist eine sehr sympathische junge Frau, die weiß was sie will. Sie möchte natürlich nicht den alten Bauern heiraten, den ihre Eltern für sie ausgesucht haben. Deswegen zieht sie mit ihrer Schwester nach Wiesbaden und die beiden teilen sich eine kleine Wohnung. Diese können sie jedoch nur bezahlen, da sie dem Schneider Brach (gleichzeitig auch ihr Vermieter) bei den Näharbeiten helfen – zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit. Die beiden haben also kein einfaches Leben, allerdings jammern sie nicht großartig. Oft genug gibt es Bücher, in denen Charaktere nach Höherem streben und immer unzufrieden mit ihrer Situation sind.
Sophies Schwester wird von einem reichen Bürgerlichen das Herz gebrochen und Sophie möchte sich daraufhin in die obere Gesellschaft einschmuggeln um ihre Schwester zu rächen. Dazu muss sie natürlich ein dementsprechendes Kleid tragen, was ihr sehr gut gefällt, nur sie fühlt sich darin auch recht unwohl. Sie ist bescheiden und sie weiß, dass sie sich nicht für ihren Stand schämen muss, denn letztendlich sind doch alle Menschen gleich.
Während gerade in der reichen Gesellschaft die meisten Ehen aus Vernunft geschlossen werden, so glaubt Sophie immer noch an eine Liebesheirat. Sie ist überzeugt davon und ich fand es sehr schön darüber zu lesen.
Außerdem sagt sie öfters ihre Meinung frei heraus, was damals natürlich recht unpassend war. Vor allem eine junge Frau musste sehr genau darauf achten, was sie wie sagte. Sophie fällt es halt manchmal schwer ihre Zunge im Zaum zu halten, was sie mir jedoch nur noch sympathischer machte.

Allerdings haben mir auch die anderen Charaktere sehr gut gefallen. Der Lebemann Carl, der charmante Maximilian, das Arztehepaar Hentschel, Sophies Schwester Annelie und all die anderen. Sie wurden gut ausgearbeitet und als ich das Buch gelesen hatte, konnte ich mich nur schwer von ihnen (besonders von Sophie) trennen. Sie waren mir einfach ans Herz gewachsen und es war so spannend zu lesen, wie sich alles weiterentwickelt zwischen ihnen – wunderbare Handlung!

Ich fand es sehr interessant, dass immer wieder das Thema arm und reich und auch die Liebes- bzw. Vernunftehe angesprochen wurde. Sophie hat sich in die noble Gesellschaft eingeschlichen, was verboten war und sie hätte dafür im Gefängnis landen können. Ein Brunnenmädchen mitten unter den reichen Bürgern – ein Skandal. So bekommt man aber einen Einblick in die verschieden Alltage der beiden Schichten. Sophie muss mit einem inneren Konflikt kämpfen, schließlich lebt sie in zwei verschiedenen “Welten”. Sie weiß, welche für sie bestimmt ist, fühlt sich jedoch von der anderen angezogen.
Die Geschichte wird übrigens aus zwei Sichten erzählt – Sophie & Carl. Seine Perspektive auf die Geschehnisse war auch recht interessant, aber hier will ich nicht zu viel vorweg nehmen.

Die Kapitel waren, gerade für einen historischen Roman, recht kurz gehalten. Das in Verbindung mit dem tollen Schreibstil machte es mir schwer, das Buch zur Seite zu legen. Schade, dass es nicht noch mehr Seiten hatte, aber ich habe ja noch zwei Bücher von der Autorin bei mir zu Hause.

Das einzige was mir nicht so gefallen hat, war eine Wendung ziemlich zum Ende hin. Natürlich möchte ich nicht spoilern, deswegen gehe ich da auch nicht näher drauf ein, aber ich fand sie kam irgendwie zu plötzlich und sie war mir nicht glaubhaft genug.

Ich freue mich auf jeden Fall schon auf weitere Bücher der Autorin. “Das Brunnenmädchen” kann ich nur empfehlen, gerade auch für Einsteiger in das historische Genre.

Fazit

Eine sehr gelungener historischer Roman, der im bezaubernden Wiesbaden spielt. Toller Schreibstil, liebenswerte Charaktere und der Konflikt der verschiedenen Gesellschaftsschichten – hier werden schöne Lesestunden garantiert.