Rezension

Eine seltsame Familie

Was Alice wusste - T. A. Cotterell

Was Alice wusste
von T. A. Cotterell

Alice Sheahan hatte meinen letzten Sonntag-Nachmittag im Griff. Sie hat meine Pläne vereitelt. Hat mir ihr Leben aufgezwungen. Mich dazu gebracht, dass ich stellenweise die Welt nicht mehr verstehe. Das Ganze habe ich sogar noch dankbar angenommen, da ich mit “Was Alice wusste” eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack erhalten habe. Die Bezeichnung Thriller ist jedoch, wie so oft, hier nicht angebracht. Es handelt sich hier um ein Familien/Ehe-Drama! Die Töne sind ruhig. Aktion sucht man hier vergeblich. Trotzdem fand ich dieses Drama unheimlich spannend. Alice bringt uns die Kunst näher. Lässt uns daran teilhaben, worauf es bei der Malerei ankommt. Sie erzählt uns von ihrer Kindheit, die ebenso dramatisch daher kommt und einige Überraschungen bereit hält. 

Mit ihrer Familie führt sie ein harmonisches Leben. Denkt sie! Ihr tadelloser Mann gerät in Mordverdacht. Alice steht zu ihm. Alice spinnt für ihn ein Lügennetz. Alice verliert sich selber immer mehr. Alice weiß nicht mehr, ob sie ihrem Mann trauen kann. Ich empfand Ed zu selbstgefällig. Irgendwie unscheinbar. Ich konnte seinen lockeren Umgang mit der Sache stellenweise überhaupt nicht verstehen. Er hatte auch wenig Feeling für Alice gezeigt. Die Kinder blieben mehr im Hintergrund.

Was mir in dieser Story so gut gefallen hat ist die Tatsache, dass nicht alles immer so ist, wie wir denken es gesehen zu haben. Vor vielen Jahren hat Alice ihre Freundschaft zu Marianne durch einen fatalen Fehler zerstört. Marianne ist heute schön und erfolgreich. Marianne zeigt Alice Dinge, die sie eigentlich schon wusste ….

Die innere Zerissenheit von Alice ist spürbar. Sie sieht in jedem Menschen das Schlechte. Hilft eine Nachbarin, macht sie es nur aus Neugier. Keiner ist ehrlich! Erhält sie Blumen …. was dann???

Eine seltsame Familie hat mir meinen Nachmittag geraubt. Hat mich an ihrem Wahnsinn teilhaben lassen. OK! Die Kinder hatten keine Schuld. Sie waren genauso Opfer wie ich. Mit einem Unterschied: Ich war es freiwillig. Es wird aus der Sicht von Alice erzählt. Ihre analytischen Fähigkeiten sind ihrem Beruf geschuldet. Spannung ist gegeben. Nervenkitzel sucht man vergeblich. Der Schreibstil ist flüssig; wenn auch stellenweise etwas holperig. Für ein Debüt jedoch eine ordentliche Leistung!

Ob mich das Ende überrascht hat? Ich habe es so ähnlich erwartet. Trotzdem lässt es für mich ein paar Fragen offen. Ob Alices Mutter die Antwort weiß?

Die Bezeichnung Thriller ist irreführend. Drama mit Thriller-Elementen wäre, meiner Meinung nach, die richtige Bezeichnung! Mich hat die Geschichte, trotz Schwächen, gut unterhalten. Es besteht noch viel Luft nach oben. 

Lügen sammeln sich an wie Schulden, bis man die Zinsen nicht mehr bezahlen kann. (Pos. 1547 auf dem Reader)

Moralische Überlegenheitsgefühle sind der direkte Weg zum Galgen. (Pos. 1569 auf dem Reader)

Ein Portrait ist eine gemalte Antwort. (Pos. 2907 auf dem Reader)

Danke T. A. Cotterell