Eine surreale Traumreise ins Wunderland
»Als ich jung war,« der Vater zur Antwort gab,
»Da glaubt' ich, für's Hirn sei's nicht gut;
Doch seit ich entdeckt, daß ich gar keines hab',
So thu' ich's mit fröhlichem Muth.« (Lewis Carroll)
INHALT:
Alice liegt auf einer Wiese, während ihre Schwester ein Buch liest. Erst ein weißes Kaninchen mit einer Stoppuhr schafft es ihr die Langeweile zu vertreiben. Sie folgt dem wundersamen Tier und fällt durch seinen Bau. Sanft landet sie auf einem Haufen Laub und muss schnell feststellen, dass Kuchen und Getränke, die einen größer oder kleiner machen können nicht die merkwürdigsten Dinge im Wunderland sind. Auf ihrer Erkundungsreise trifft sie auf allerhand skurille Wesen wie den verrückten Hutmacher, einer Grinsekatze und einer Königin der Herzen, die ihre Untergebenen schneller zum Tode verurteilt, als man gucken kann.
HINWEIS:
Zuerst hieß dieses Buch "Alice's Abenteuer im Wunderland". Erst später wurde es in "Alice im Wunderland" verkürzt. Wer keine sprachlich überarbeitete Fassung lesen will, sollte demnach zur Fassung mit dem ersten Titel greifen. Sechs Jahre nach diesem Teil erschien mit "Alice hinter den Spiegeln" der zweite und abschließende Band.
MEINUNG:
Bestimmt hat jeder zumindest schon mal von diesem Märchen gehört.
Zahlreiche Verfilmungen und Buch-Adaptionen lassen einen kaum um Lewis
Carroll's Wunderland herum kommen.
Ich selber kannte auch nur einige der Filme usw., aber bisher noch nicht
das Original. Neugierig wie ich bin musste ich es nun jedoch auch
endlich mal lesen, um zu sehen inwiefern die Geschichte von anderen
bereits verfremdet wurde.
Vieles war vertraut, aber viele kleine Nebengeschichten waren mir
komplett neu. Auch die Art und Weise wie Alice agiert war für mich
anders, als ich es erwartet hatte. So redet Alice gerne mit sich selbst
oder stellt sich vor mehr als nur eine Person zu sein. Auch ist sie in
gesellschaftlicher Hinsicht oft ziemlich tollpatschig und sagt Dinge,
die sie sich eigentlich lieber verkneifen sollte. Sie denkt einfach zu
spät darüber nach, dass die Dinge andere verletzen oder in Unruhe
versetzen könnten. So redet sie beispielsweise mit Mäusen oder Vögeln
über ihre Katze, die jene Tiere liebend gerne jagd und frisst. Ihr Sinn
für Empathie ist demnach nicht gerade sehr hoch ausgeprägt, wodurch sie
nicht immer sympatisch wirkt. Trotzdem macht es Spaß Alice bei ihrer
kindlichen Unbeholfenheit zu beobachten.
Die Figuren um Alice herum hingegen schließt man recht schnell ins Herz.
Der Hutmacher und die Grinsekatze waren schon vor diesem Buch meine
Lieblinge und sind es noch immer. Allerdings ist es gleichzeitig ein
wenig schade, dass viele Charaktere etwas zu kurz kommen oder ihnen im
Prinzip nur jeweils ein Kapitel gewidmet wurde. Erst zum Finale treffen
fast alle Charaktere wieder zusammen, aber während des Lesens lernt man
ständig neue Figuren kennen und verabschiedet sich sogleich von ihnen,
sobald man etwas mehr über sie erfahren hat.
Der Roman hat zahlreiche moralische bzw. erzieherische Aspekte, verliert
sich jedoch auch gerne in Absurditäten, sodass es für Kinder schwer
sein könnte die ganzen Botschaften dahinter richtig zu erkennen. Mir
selbst kam es oft so vor als würde ich eine Art Drogentrip des Autors
lesen (was schließlich nicht ganz abwegig ist, dass dieses Buch auf
diesem Wege entstanden ist).
Letztlich ist es aber durchaus ein fantasievolles, interessantes und
lustiges Buch, das mich die Seiten schnell überfliegen ließ. Außerdem
würde es ohne dieses Werk nicht die zahlreichen tollen Verfilmungen und
Adaptionen geben, die ich bereits lieb gewonnen habe. Ich kann es
demnach nur empfehlen es zumindest zu versuchen zu lesen und zu schauen,
ob es zusagt oder nicht.
SPRACHE:
Da ich die alte Sprache liebe, kam ich schnell in die Geschichte rein. Da es aber nicht jedermanns Sache ist, würde ich jedem raten vorher ein wenig rein zu lesen, bevor er sich das Buch zulegt.
Filax sprach zu
der Maus, die
er traf
in dem
Haus:
»Geh' mit
mir vor
Gericht,
daß ich
dich
verklage.
Komm und
wehr' dich
nicht mehr;
ich muß
haben ein
Verhör,
denn ich
habe
nichts
zu thun
schon
zwei
Tage.«
Sprach die
Maus zum
Köter:
»Solch
Verhör
lieber Herr,
ohne
Richter,
ohne
Zeugen
thut nicht
Noth.«
»Ich bin
Zeuge,
ich bin
Richter.«
sprach
er schlau
und schnitt
Gesichter
»das Verhör
leite ich
und
verdamme
dich
zum
Tod!«
(Lewis Carroll)
FAZIT:
Nicht zwangsläufig ein reines Kinderbuch, da einige Stellen doch etwas verwirrend sind. Bei jüngeren Kindern sollte man vielleicht wirklich überlegen, ob man nicht eine überarbeitete, kinderfreundlichere oder gekürzte Version zur Hand nimmt (genug Alternativen gibt es da ja). Freunde der alten Sprache und des Viktorianischen Zeitalters sollten hier jedoch auf jeden Fall zugreifen. Eine Geschichte, die sehr bildhaft geschrieben ist ohne dabei zu sehr zu übertreiben oder zu detailreich zu werden. Man muss jedoch auch gleichzeitig kein Problem damit haben, das bei dieser Geschichte vieles sehr surreal ist und man hier kein typisches Märchen zu lesen bekommt, in dem alles direkt offensichtlich erscheint.