Rezension

Eine Tochter, berühmte Eltern und die Suche nach einem Zuhause

Die Unruhigen - Linn Ullmann

Die Unruhigen
von Linn Ullmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eine Tochter wächst als Kind berühmter Eltern auf und erzählt über ihr Leben, ihr Verhältnis zu ihren Eltern und über den Verlust von Vater und Heimat.

          "Vielleicht brauchten beide, Mama und Papa, einen Vater. Jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie sich verlaufen hatten und nach Hause sehnten. 
Oder sie brauchten eine Hausfrau. Künstler brauchen Hausfrauen" (S. 305)

Ein Mädchen wird 1966 unehelich geboren. Das war damals noch ein Skandal. Aber ihre Elten kümmert das wenig, sie sind Künstler, leben in ihrer eigenen Welt - und sind nicht geschaffen für das normale Alltagsleben: "Keiner der beiden konnte kochen; vielleicht einer der Gründe dafür, dass sie nicht in der Lage waren, weiter zusammenzuleben (...) keiner der beiden konnte bügeln oder den Fußboden putzen, keiner von ihnen wusste, wie man sich um ein Kind kümmert, ich spreche nicht von Liebe, Liebe hatten sie, ich spreche von der Arbeit, ich spreche von dem, was sich daraus ergibt, ein Heim einzurichten und eine Familie zu gründen (...). (S. 304).

Das Mädchen wächst also sehr unstet auf, zunächst in Schweden, dann in Oslo, später auch in den USA. Ihre Mutter ist eine weltbekannte Schauspielerin und reibt sich auf zwischen Arbeit, künstlerischem Anspruch, Geldverdienen und Kindererziehung. Ihr wird es angekreidet, dass sie keine Vollzeitmutter ist und das Kind oft von Kindermädchen betreut wird.
Der Vater dagegen ist völlig gefeit vor solchen Vorwürfen - er hätte sie sich wohl auch nicht zueigen gemacht. Er hat 9 Kinder von 6 Frauen und verbietet sogar seiner letzten Frau Ingrid (diese ist dann wirklich zum ersten Mal eine "Hausfrau" und keine Künstlerin) ihre anderen 3 Kinder mit ins gemeinsame Heim zu bringen. Nur eine Tochter (Maria) darf zeitweise bei ihnen wohnen (wie sich erst später herausstellt, ist sie auch eine frühe, uneheliche Tochter des späteren Ehemanns).

Einmal im Jahr, im Sommer, verbringen das Mädchen und einige andere Kinder des Vaters einige Ferienwochen auf der Insel Farö, dem Sommerdomizil des Vaters. Eigentlich war das Domizil für das Mädchen und seine Mutter und den Vater gebaut worden, aber jetzt wohnt dort der Vater mit Ingrid, seiner letzten Ehefrau. Obwohl es sich nach Inselromantik und unbeschwerten Sommerwochen anhört, so gibt es doch für alle strenge Regeln. Und der Vater schreibt im Sommer - und darf nicht gestört werden. Dies alles erinnert sehr stark an die Erinnerungen der Kinder von Thomas Mann. Auch er ein sehr begabter Künstler - aber im täglichen Leben musste Ordnung herrschen.

Hier ist aber von Ingmar Bergman die Rede, dem weltberühmten Regisseur. Und die Mutter ist Liv Ullmann, die einmal einige Jahre mit Bergman liiert war - aber nie verheiratet. Und die Tochter ist Linn Ullmann, heute eine bekannte und bedeutende Autorin.

Dieses Buch ist ein Roman - einiges ist wohl fiktiv - aber es ist auch eine autobiographische Erinnerung. An eine außergewöhnliche Kindheit, an einen berühmten Vater, an dessen Sterben und Tod, an die Mutter.

Erzählt wird in einer anspruchsvollen Sprache, mit vielen Assoziationen, mit wechselnden Zeitebenen, in Form von Erinnerungsfetzen. Dieses nicht-chronologische Erzählen macht die Lektüre manchmal schwierig - aber auch interessant. 

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, überraschend gerne. Vorher hatte ich einige kritische Stimmen gelesen und war ein wenig skeptisch. Aber die schöne, poetische, nachdenkliche Erzählweise hat mir gut gefallen.