Rezension

Eine tolle Dystopie!

Legend 01 - Fallender Himmel - Marie Lu

Legend 01 - Fallender Himmel
von Marie Lu

Inhalt:
In nicht allzu ferner Zukunft: Amerika ist geteilt und die Republik von Amerika befindet sich im Krieg mit den Kolonnien. Die 15-jährige June ist ein Wunderkind und lebt auf der Sonnenseite des Lebens: schon früh wurde ihr die beste Erziehung und Bildung zuteil und sie wuchs mit dem Gedanken auf, dass die Republik stets Recht hat und dessen Feinde auch ihre sind. Als ihr Bruder von dem meist gesuchtesten Verbrecher der Republik ermordet wird, setzt June alles daran ihn zu finden und Rache zu nehmen. Sie wird Teil des Militärs und macht sich auf die Suche nach Day, einem Jungen der schon lange hätte sterben sollen.

Aus allen Richtungen hört man von Marie Lus Dystopie „Legend“ und dabei eigentlich nur gute Sachen. Dementsprechend waren die Neugier und Erwartungshaltung sehr hoch, als ich mir das Buch zugelegt hatte. Und eins kann ich schon vorweg nehmen: Ich wurde nicht enttäuscht.
Während der Einstieg in die Geschichte etwas schwer fiel und ich mehrere Anläufe brauchte, um in einen guten Lesefluss hinein zu kommen, konnte ich das Buch schon wenige Seiten später nicht mehr aus der Hand legen.
Die Erzählperspektive wechselt regelmäßig zwischen June und Day und das ganze wird aus dem Präsens beschrieben. Normalerweise zwei Dinge, die mich in Büchern oft stören, weil ich es nicht mag, wenn aus mehreren Perspektiven wirklich alles beleuchtet wird. Hier jedoch hat es sich perfekt in das Gesamtbild der Geschichte eingefügt und ich bin nicht einmal über das Präsens gestolpert.
Es wäre schön gewesen, ein wenig mehr Hintergrundinformationen über die Welt zu bekommen, in die Marie Lu uns ohne Zögern hineinstößt. Man weiß nicht, wie es dazu gekommen ist und warum alle Bürger dem erbarmungslosen Regime ohne weiteres folgen.
Eben diese Welt, welche die Autorin um unsere beiden Protagonisten herum gestaltet hat erscheint dem Leser erschreckend brutal. Wir begegnen einer Republik im Krieg, die diesen aber auch nicht einmal hinterfragt. Das Militär steht an oberster Stelle und schreckt nicht davor zurück, mit Folter und Brutalität den totalitären Nationalgedanken im Volk durchzusetzen. Dies mag auf den ersten Blick vielleicht für ein Jugendbuch zu brutal wirken, oder vielleicht sogar unrealistisch, dass die Menschen diesem Regime so einfach folgen und gewissenlos brutal handeln. Doch wenn man erst einmal nachdenkt, erkennt man, dass es genau das in dieser Form doch schon einmal gab. Diese extreme Vaterlandliebe, Verehrung des Heldentodes, Ausbildung und Selektion der Kinder für spätere militärische Dienste, bedingungloses Folgen einer bestimmten Herrscherfigur, ja, klingelts? Mehrmals kam mir während des Lesens der Gedanke, dass die Autorin hier eine Zukunft beschreibt, die unserer Vergangenheit im Nationalsozialismus sehr ähnlich ist und dann wurde mir bewusst: So abwegig ist diese Zukunft also gar nicht.
Die Menschen werden selektiert, als Kollateralschäden oder Zielobjekte angesehen. Die Brutalität ist in „Legend“ allgegenwärtig. Sie ist jedoch nicht unangebracht oder überflüssig, sondern hebt nur noch hervor, wie schrecklich diese Zukunft doch ist.
Natürlich ist die Tatsache, dass es sich hier um eine Dystopie handelt nicht versteckt wie etwa bei Werken wie „Brave new World“ , was aber nicht weiter schlimm ist, da es so für jüngere Leser vielleicht leichter zu verstehen ist.

Die Charaktere sind allesamt sehr überzeugend gestaltet, selbst die Nebencharaktere oder Kontrahenten.
June, die Protagonistin ist sehr komplex und gut durchdacht. Sie ist ein Wunderkind, welches unglaublich intelligent und körperlich begabt ist, was die Autorin im Laufe der Handlung auch nie aus den Augen verliert. Immer wieder fallen ihr Kleinigkeiten auf oder sie analysiert ihre Umgebung. Sie durchläuft in der Geschichte eine große Entwicklung, löst sich von Vorurteilen und alten Überzeugungen und findet zu ihrer eigenen Stärke. Ihr Gegenstück, Day ist der typische Rebell und Einzelgänger. Er ist der Held der Geschichte, bleibt in seinen Charakterzügen jedoch immer realistisch und greifbar, sodass er nie aufhört, wie ein 15-jähriger Junge zu wirken, der Angst hat und Fehler begeht.

Es gibt sehr viele Wendungen und Überraschungen im Verlauf der Geschichte, was sehr viel Spannung erzeugt. Auch wenn der Einstieg am Anfang ein wenig schwer erscheint, weil man direkt in das Geschehen hinein geworfen wird, ist „Legend“ doch ein mehr als gelungener Auftakt zu einer hoffentlich weiterhin sehr überzeugenden Dytopienreihe.
Am Ende, schwankte ich in meiner Bewertung zwischen 4,5 und 5 Punkten, hab mich schlussendlich dann doch für volle 5 Punkte entschieden.