Rezension

Eine tolle Zeitreise in die 50er!

Ein Tropfen vom Glück - Antoine Laurain

Ein Tropfen vom Glück
von Antoine Laurain

Bewertet mit 5 Sternen

Ein zauberhaft, charmanter Roman über die Liebe, Freundschaften, Familienbande und natürlich guten, französichen Wein. Antoine Laurain versteht es vorzüglich, mit seinem Schreibstil den Leser zu fesseln und leichtfüssig zu unterhalten, ohne dabei in´s Alberne oder Komische abzudriften.

September 1954, in den Weinbergen des Beaujolais - der Winzer Pierre Chauveau hat nach einer Zechtour gegen Mitternacht eine Begegnung der dritten Art: eine fliegende Untertasse taucht wie aus dem nichts plötzlich vor ihm auf, um sich sich sogleich wieder aus dem Staub zu machen. Sein Bericht bei der örtlichen Gendarmerie führt nur zu einem müden Lächeln der Beamten und einem weiteren Protokoll, das sorgsam zu den anderen Augenzeugenberichten, die in diesem Jahr gehäuft vorkommen, abgelegt wird. Ende der 70er-Jahre verschwindet Chauveau mit seiner Schäferhündin Ausweis bei einem Spaziergang; niemand hat je wieder was vom ihm gesehen oder gehört.

September, Paris im Jahre 2017 - der Amerikaner Bob landet als Airbnb-Tourist nach über 30 Jahren Wunschdenken endlich in der Stadt seiner Träume. Magalie, eine junge Restaurateurin, hat in der Rue Edgar-Charellier Nr. 18 ein Ladengeschäft. In dem besagten Haus leben auch Miteigentümer Hubert, ein Sproß mit einer langen, aber verschrobenen Ahnenreihe und der junge Barmann Julien. Eines Abends führt die vier ein Kellereinbruch bei Hubert zusammen und lässt sie später mit einem guten Tropfen aus dem Jahr 1954 auf ihre neu gewonne Freundschaft anstoßen - ein Umtrunk mit Folgen, wie sich am nächsten Tag für alle zeigt. Während die vier langsam realisieren, in welchem Jahr sie sich befinden und was der Auslöser gewesen ist, nehmen sie auf ihrer Zeitreise die ein oder andere Begebenheit und Bekanntschaft mit, finden zueinander und werden sich ihrer Gefühle bewusst, knüpfen zarte Bande zu längst verblassten Momenten und Menschen vergangener Tage. Soweit so schön und gut, aber wie zurück in die eigene Zeit kommen, in das Jahr 2017? Geht das überhaupt oder sind die vier nun endgültig in dieser Zeit der wilden 50er gefangen....??

Ich bin noch immer ganz verzaubert von dieser herrlich-skurrilen Zeitreise und deren Hauptprotagonisten, die Laurain mit viel Liebe zum Detail gestaltet hat - jede Figur für sich ist total verschieden und hat ihre Eigenarten - von etwas versnobt (Hubert) über schüchtern-verliebt (Julien) Urgestein Bob und die äußerlich ungewöhnliche Magalie, die immer nur "Abby" genannt wird. Man fühlt sich sofort in dem Haus in der Rue Edgar-Charellier Nr. 18 wohl und wäre dort selbst gerne einer der etwas schrullig anmutenden Bewohner. Auch die zufälligen Treffen der teilweise bis dato noch nicht so bekannten Berühmtheiten fließen ohne Kitsch oder Paparazzitum in die Geschichte mit ein, nebenher erwähnte Namen wie "Brigitte" lassen einen sofort an DIE Bardot denken, Jean Gabin wirft in meinem Kopf ein buntes Kaleidoskop von weiteren, großartigen Schauspielern  an, die in tollen Filmklassikern dieser Zeit mitgewirkt haben. Edith Piaf, der Spatz von Paris mit ihrer ganz speziellen Art, bewirkt an einem Abend mit Gabin sowas wie ein kleines Wunder und man wünschte, man wäre selbst dabei gewesen. Das wandeln durch die sommerlichen Straßen des Paris von 1954 mit den jeweiligen Protagonisten ist ein Genuß, man lebt quasi ebenfalls in dieser Zeit mit und fühlt sich in die eigene Kindheit (auch wenn ich ein Kind der 70er bin) zurückversetzt, in der es manche technische Errungenschaft noch nicht gab, dafür einfach mehr miteinander gesprochen, gelacht und erlebt wurde. Vieles schien unbeschwerter, allerdings nicht immer einfacher zu sein, dennoch kamen die Menschen miteinander zurecht. Eindrucksvoll fand ich für mich das entdecken der "Les Halles" - dort arbeitet und verkehrt ein besonderer Schlag Mensch mit einer eigenen Sprache, eine kleine Welt für sich, die Laurain klasse rüber gebracht hat. Insgesamt ein toller und kurzweiliger  Roman, der mit mit seinen 256 Seiten irgendwie zu kurz geraten ist und gerne noch 100 Seiten mehr hätte haben dürfen. Auch das Cover ist ein echter Hingucker und passend zur Zeit gestaltet, überhaupt war das Cover der Ansporn, mir das Buch mal näher anzugucken.  Dieses war mein erster Roman von Antoine Laurain, allerdings bestimmt nicht mein letzter, für "ein Tropfen vom Glück" gibt es von mir eine klare Leseempfehlung, denn diese Lektüre ist sowohl für einen Tag am Strand, wie auch für einen flauschigen Abend am Kamin bestens geeignet.