Rezension

Eine tragische Außenseiterliebe

Nicu & Jess - Sarah Crossan, Brian Conaghan

Nicu & Jess
von Sarah Crossan Brian Conaghan

Bewertet mit 5 Sternen

Schon äußerlich und formal ist das Buch ein Hingucker, etwas ganz Besonderes – knallorangefarbener Seitenschnitt, weißes Lesebändchen, (nicht reimender) Versroman (der wohl eine Spezialität der Mitautorin Crossan ist), abwechselnde Erzählperspektiven, von denen Nicus Part in „Kauderwelsch“ abgefasst ist. Inhaltlich übertrifft die Geschichte dann noch die dadurch geschürten Erwartungen. Die beiden Fünfzehnjährigen Nicu und Jess lernen sich bei Sozialstunden kennen, zu denen sie wegen Ladendiebstählen verdonnert wurden. Der Romajunge ist erst seit kurzem in London. Seine Eltern wollen schnell Geld verdienen, um ihren Sohn – gegen dessen Willen - dann in Rumänien verheiraten zu können; die passende Braut ist schon gefunden. Nicu jedoch will um keinen Preis der Welt zurück in seine arme Heimat, auch wenn er vor allem aufgrund seiner schlechten Sprachkenntnisse gemobbt wird. Jess kommt aus einem sozialen Randmilieu und wird mit ihrer Mutter vom Stiefvater drangsaliert. Ganz allmählich freunden sich die beiden an, woraus sogar eine zarte Liebe wird. Zur Bewährung kommt es, als sie von zu Hause abhauen.

Dieses Buch ist in erster Linie für Jugendliche gedacht, in deren Milieu es spielt - Cliquen, die Schwächere mobben und nur denjenigen akzeptieren, der mit ihren Regeln konform geht. Es ist schon erschreckend, welch harte Umgangsformen unter Jugendlichen gelten. Doch auch Erwachsene wie ich werden Gefallen an dem Buch finden, zumal auch Themen wie das Versagen von Lehrern und Eltern oder eine von Vorurteilen geprägte Gesellschaft angerissen werden. Bestechen tut das Buch vor allem durch seine Sprache, insbesondere in Nicus Part, der in Kauderwelsch-Deutsch verfasst ist, um deutlich zu machen, welche Sprachbarrieren sich für einen Migranten auftun und dass Sprache für eine gelungene Integration so wichtig ist. Auf jeden Fall weckt die Geschichte gerade in Zeiten zunehmender Flüchtlingswellen Verständnis für Migranten. Offen bleibt am Ende eigentlich nur, welcher Teil des Buchs von Sarah Crossan und welcher von ihrem Schriftstellerkollegen Brian Conaghan geschrieben wurde.