Eine trügerische Geschichte mit überraschendem Ende!
,Der Buchhändler“ von Petra Johann ist ein Thriller, der am 14. März 2022 als E-Book im Aufbau Digital-Verlag erschienen ist. Diese Geschichte über eine scheinbar friedliche Kleinstadt Neukirchen in Bayern und einer fest eingeschworenen Gemeinschaft habe ich eher als Krimi wahrgenommen, da mir der Thrill gefehlt hat. Trotzdem fand ich die Handlung interessant, lesenswert und facettenreich, sodass ich überwiegend gut unterhalten wurde. Die Autorin hat das sensible Thema Pädophilie eingebaut. Während der Handlung habe ich mir öfters eine bestimmte Frage gestellt: sollte ein Mann mit pädophilen Gedanken, von denen er seit er denken kann gequält wird, er diese jedoch sein komplettes Leben lang erfolgreich unterdrücken konnte, verurteilt werden? Diese Gedanken eines Betroffenen wurden hier sehr deutlich erörtert und ich konnte nachvollziehen, was dieses Schicksal mit der eigenen Psyche anrichten kann. Die Reaktionen der Mitmenschen sind, wie hier in dieser Geschichte, negativ und auf den ersten Blick erst einmal verständlich, trotzdem sollte sich jeder über die Unterschiede zwischen einer Person mit bestehenden pädophilen Gedanken und einem aktiven Pädophilen informieren. Ob ich meine Kinder einem Menschen mit nonstop bestehenden Gedanken blind anvertrauen könnte? Ich weiß es nicht.
Erik Lange, der hier anfangs im Vordergrund steht, erzählt in unregelmäßigen Abständen aus seiner Perspektive. Der Buchhändler verlässt schweren Herzens seine Heimat und somit seine Tochter, die für ihn sein Ein und Alles ist. Er findet schnell Anschluss und wird von der Gemeinschaft in Schönblick akzeptiert, sodass er schnell zur festen Nachbarschaft gehört. Erik fühlt sich wohl und die Sehnsucht nach seiner Tochter wird somit erträglicher. Doch als die auffallend schöne Grundschülerin Theresa in aller Frühe ihr Elternhaus verlässt und nicht mehr zurückkehrt, versammelt sich die komplette Nachbarschaft und rasch hilft jeder bei einer intensiven und groß angelegten Suche des Mädchens mit. Theresa bleibt verschwunden, vor allem aber für die Eltern beginnt ein quälender Alptraum. Mit jedem Tag, wo Theresa nicht auffindbar ist, gehen diese gleichzeitig mit zugrunde. Selbst die netten und aufmunternden Worte ihrer Nachbarn prallen an ihnen ab. Während Theresas Eltern vor Sorge zu psychischen Wracks werden, geht die gesamte Gemeinschaft in einem Strudel von Lügen und Gerüchten unter.
Geheimnisse einiger Nachbarn kommen ans Tageslicht und auch Erik Langes langjähriges Geheimnis macht schnell die Runde. Nach und nach verdichten sich Hinweise, dass jemand aus Theresas Umfeld für ihr Verschwinden verantwortlich ist. Eriks bekannt gewordenes Geheimnis kommt der Nachbarschaft wie gerufen und es geschehen Handlungen, die fatale Folgen nach sich ziehen. Die Stimmung in Schönblick wird immer explosiver und ich wurde mit einem richtig guten, unvorhersehbaren und krassen Ende belohnt. Die Frage, was mit Theresa passiert ist und wer an ihrem Verschwinden beteiligt war, hat mich komplett überrascht. Das Finale, welches mich auf der einen Seite schockiert und traurig gestimmt und auf der anderen Seite total überrascht hat, ist der Autorin unheimlich gut gelungen. Die Frage um Theresas Roller, der plötzlich wieder in der Garage stand, sorgt für große Aufruhr. Dieser war mit dem Mädchen gleichzeitig verschwunden und gibt den Ermittlerinnen ein weiteres und kopfzerbrechendes Rätsel auf.
Die beiden Kommissarinnen Judith Plattner und Pia Meyer ermitteln von Anfang an und nehmen jeden einzelnen Nachbarn ins Visier. Es wird ausgiebig ermittelt und zwischendurch erfuhr ich einige private Details aus dem Leben der beiden Frauen. Die Ermittlerinnen erledigen solide und detaillierte Kriminalarbeit, die an einigen Stellen etwas unglaubwürdig rüberkam. Dies fand ich jetzt nicht wirklich tragisch, außerdem musste ich das ein oder andere Mal schmunzeln. Plattner ist Hauptkommissarin und während den Ermittlungen werden ihr langsam die Augen geöffnet und ihr wird bewusst, warum ihre Familie von einem tragischen Schicksalsschlag getroffen wurde. Sie sieht durch diesen Fall den ungeahnten Selbstmord ihres Sohnes mit anderen Augen und versucht, eine Erklärung für seine schreckliche Tat zu finden. Kommissarin Meyer, die aus Muskeln wie der Hulk besteht, wirkt praktisch und quadratisch. Ihre Gründe für ihr jetziges und kompaktes Aussehen werden zwischendurch immer mal wieder kurz aufgegriffen. Das Buch besteht aus drei Teile, die allesamt eine angenehme Kapitellänge haben. Es wird aus der Sicht der Kommissarinnen und Erik erzählt, sodass ich mich in dessen Gedanken, Gefühle und Handlungen sehr gut hineinversetzen konnte. Eriks Flucht und Geheimnis wurden mit der Zeit offenbart, was mich teilweise sehr beschäftigt hat. Sein Verhältnis zu seiner Tochter wurde mit der Zeit intensiver beschrieben, das Verhalten einiger Personen gegenüber ihm hat mich schockiert und gleichzeitig auch wütend gemacht.
Alle Charaktere sind interessant, authentisch und gut ausgearbeitet. Sie haben ihren Part hervorragend gespielt und zusammen eine tiefgründige Gemeinschaft gebildet, in der die Angst die Macht übernimmt. Detaillierte, jedoch keine ausschweifende Beschreibungen haben während des Lesens für klare Bilder gesorgt. Der flüssige Schreibstil und der Perspektivenwechsel haben bei mir deshalb auch für einen schnellen Lesefluss gesorgt. Nicht zu vergessen die Beschreibungen einiger Nachbarn - zum Beispiel dem zwinkernden und gleichzeitig mit dem Schlüssel spielenden Nachbarn, sind der Autorin gut gelungen, sodass ich die Befragungen immer sehr unterhaltsam und interessant fand. Dass nicht jeder das vorgegebene Bilderbuchleben lebt, wurde im Laufe der Handlung immer deutlicher. Zwischendurch gab es für meinen Geschmack einige Längen und es hat anfangs etwas gedauert, bis die Geschichte in die Pötte kam. Trotzdem hat mich ,,Der Buchhändler“ trotz des heiklen Themas super unterhalten. Von mir gibt es deshalb gute vier Sterne für die tödliche Idylle!