Rezension

Eine Übersetzung für den Müll?

Vertraute Welt -

Vertraute Welt
von Hwang Sok-Yong

Meines Erachtens macht Hwang Sok-Yong etwas unglaublich Wichtiges in diesem Roman aus dem Jahre 2011: Er zeigt das nach außen hin durch Sauberkeit und Ordnung bekannte, vorbildliche Südkorea von seiner schmutzigen Seite. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn er blickt auf eine Kindheit in einem Slum auf der sogenannten "Blumeninsel" einer riesigen Mülldeponie vor den Toren Seouls. Zeitlich ist der Roman in den 1980ern verortet, bevor es zu einer Renaturierung des Gebietes kam und sich damals noch die Arbeitsbrigaden durch Berge von Zivilisationshinterlassenschaften wühlten, um diese zu sortieren. Aber diese Arbeiter*innen lebten dort eben auch mit ihren Familien, wie es noch bis heute überall auf der Welt der Fall ist. Dort lebt nun auch der Hauptprotagonist Glupschaug mit seiner Mutter, dem Stiefvater und dem Stiefbrüderchen. Sie müssen arbeiten und sollen nebenher noch ein normales Leben führen. Aber geht hier Normalität? Zum Glück in der Erzählung von Hwong Sok-Yong schon und das macht diese Lektüre auch etwas heiterer als erwartet.

 

Grundsätzlich wird aus dieser inhaltlichen Beschreibung schon deutlich, wie ethisch-moralisch wichtig das Thema ist, vor dem niemand seine Augen verschließen sollte. Wovor man bei der Lektüre jedoch am liebsten die Augen verschließen möchte ist die Übersetzung. Ganz ehrlich: Ich glaube noch nie eine so altbackene, verstaubte und über weite Strecken hinweg sogar grandios unpassende Übersetzung gelesen zu haben. Leider kann ich in Ermangelung der sprachlichen Kenntnisse das koreanische Original nicht zum Vergleich lesen, bin mir aber sicher, dass hier in der Übersetzung einiges schiefgelaufen ist. Da werden erzwungene Formulierungen gesucht, prägnante Phrasen auf wenigen Seiten immer wieder wiederholt, obwohl Abwechslung angesagt wäre, und vor allem wird in einer veralteten Art und Weise bagatellisiert. Fast schon hätte ich mich während des Lesens daran gewöhnt, als aber eine Katastrophe über die Deponie und deren Bewohner hineinbricht, wurde es mir definitiv zu viel des Schlechten.

 

So verliert der Roman leider massiv an erzählerischer Sprengkraft und mich verliert er als interessierte Leserin. Außerdem hätte mir auch eine ausführlichere Nutzung der magischen Elemente, welche aus diesem Kulturkreis durchaus bekannt sind, gefallen. Auch wird eine liebgewonnene Figur einfach aussortiert, wie es nun einmal auf dem Müll der Fall ist, hier aber nicht hätte in dieser Form hingenommen werden müssen. Schade.

 

Insgesamt handelt es sich hierbei aus meiner Sicht durchaus um einen guten Roman, der dreieinhalb Sterne verdient hätte, jedoch durch die Übersetzung dermaßen an Qualität verliert, dass ich mich für die Tendenz nach unten - und damit nur zwei Sterne - entschieden habe.