Rezension

Eine Ungeheuer(liche)-Story

LEVIATHAN - Tim Curran

LEVIATHAN
von Tim Curran

Bewertet mit 4 Sternen

Johnny Horowitz ist Paparazzi und verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Ablichten der skandalösen und peinlichen Momente der Stars und Sternchen Hollywoods. Auf deren Beliebtheitsskala belegt er nicht gerade die oberen Ränge und so wird ihm nahegelegt, sich anderen Themen zu widmen, um die Gemüter zu beruhigen. Er reist auf die geheimnisvolle Insel Seagull Island, um die sich zahlreiche Mythen ranken, hofft auf eine nie dagewesene Story, auf eine Menge Geld und ist bereit bis aufs Äußerste zu gehen, um diese Ziele zu erreichen. Während Hurrikan Amelia auf die Insel zusteuert, wird Johnny tatsächlich fündig und sieht mit eigenen Augen ein Tor zu einer prähistorischen Welt. Er will Beweise liefern, die unumstößlich sind, Fotos reichen ihm nicht und so schlägt er sämtliche Warnungen der Einheimischen, sich von diesem Strandabschnitt fernzuhalten, in den Wind. Doch ist er damit womöglich zu weit gegangen?

Leseeindruck

Mit "Leviathan" spinnt Tim Curran eine fantastische und unterhaltsame Kurzgeschichte, die sich zu einem echten Pageturner mausert. Im Alten Testament ist der Leviathan ein Ungeheuer in Gestalt eines Drachens/Krokodils und fungiert als Sinnbild des Chaos und der gottfeindlichen Weltmächte. Der Titel ist Programm – warum das so ist, darf der geneigte Leser natürlich gern selbst herausfinden. Ich werde auf den Inhalt nicht näher eingehen, als ich es in meiner Inhaltsbeschreibung ohnehin schon getan habe und beschränke mich an dieser Stelle auf meinen persönlichen Leseeindruck.

Mit Johnny hat uns der Autor einen augenscheinlich unsympathischen Antihelden als Protagonist serviert: Ein Mann in den Vierzigern, der einem Aasgeier gleich um jeden Skandal kreist, um ihn schamlos ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Viel Background wird uns nicht offenbart aber wir wissen schnell wie Johnny tickt, was ihn an- und umtreibt. Er ist rücksichtslos und egoistisch aber auch mutig. Und genau damit geht Currans Taktik auf: Johnny ist die ideale Antriebsfeder für die Story und wir wollen ihn sein Verderben rennen sehen. Oder doch nicht? Ich muss sagen, dass ich Johnny zwar nicht überschwenglich mochte, ihn aber dennoch authentisch fand. Er wird vom Autor ein wenig überzeichnet aber wo wäre die Welt ohne solche Menschen – die Draufgänger, die Macher, die Egoisten, die die Welt vorantreiben? Wenn man Johnny so zu sehen vermag, kann man nicht umhin, ihm auch ein wenig Sympathie angedeihen zu lassen.
 
Die Geschichte wird aber nicht von unserem Protagonist getragen, sondern von dem, was Johnny entdeckt: Ein Tor, eine Art Zeitfenster in die Kreidezeit. Ein unverblümter Blick (und mehr) in die Vergangenheit. Curran schafft hier eindrucksvolle Bilder, lässt den Leser hautnah miterleben, was das Tor offenbart. Man kann das Meer und die ozonhaltige Luft riechen, die Wellen hören und den Sand zwischen den Zehen spüren. Es ist dieses Geschick, das Currans Werke auszeichnet. Er erzählt nicht einfach nur, er lässt den Leser eintauchen und reißt ihn förmlich mit. Und das gelingt ihm schon nach wenigen Seiten.

Natürlich stellt Curran unserer Hauptfigur, die man beinahe schon als tragisch bezeichnen kann, einen durch und durch sympathischen und herzlichen Sidekick zur Seite: Nate, der Familienmensch, der Barkeeper mit dem großen Herz. Außerdem ist da noch Matt Packard, der alte Mann im Rollstuhl, der in einer abgelegenen Hütte lebt und für ein wenig verrückt und senil durchgeht aber dessen Vergangenheit ein entscheidendes Puzzleteil zur Gesamtgeschichte beiträgt.

Alles in allem gibt es bei dieser Novelle nichts zu beanstanden. Das Thema in "Leviathan" ist zwar nicht neu und es ist auch nicht Currans beste Story aber sie ist toll und vor allem lebendig erzählt.

Fazit

"Leviathan" ist ein wenig Jurassic Park, ein wenig Godzilla und ganz viel Seeungeheuermythos. Lebendig und fesselnd erzählt ist diese Novelle eine kurzweilige und vor allem unterhaltsame Lektüre, die auf jeden Fall lesenswert ist.