Rezension

Eine ungewöhnliche Frau und brillante Künstlerin

Clara Schumann - Irmgard Knechtges-Obrecht

Clara Schumann
von Irmgard Knechtges-Obrecht

Bewertet mit 4.5 Sternen

»Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Theil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich athme.«

Wer sich mit dem klassischen Klavierspiel beschäftigt, kommt an dem Namen Clara Schumann nicht vorbei. Und wer – so wie ich – noch zu D-Mark-Zeiten aufgewachsen ist, kennt ihr Gesicht, das auch vom Cover dieses Buchs lächelt, vom Hundertmarkschein. Irmgard Knechtges-Obrecht zeichnet in dieser Biographie ein differenziertes Bild einer Frau, die die Musikwelt nachhaltig prägte und beeinflusste und zu ihrer Zeit ein außergewöhnliches Frauenbild präsentierte.

 

Von ihrem Vater systematisch zum Wunderkind aufgebaut, startete Clara ihre Karriere mit zarten 9 Jahren. Als sie 18 war, war ihr bereits der internationale Durchbruch gelungen. All das war nur durch den kompletten Verzicht auf eine Kindheit möglich, ihr Leben wurde durch Fingerübungen und höchst strapaziöse Konzertreisen bestimmt. Der dominante Vater managte erfolgreich, reglementierte aber selbst die privatesten Bereiche im Leben seiner Tochter. So nahm er beispielsweise ihre Tagebucheintragungen vor, erst als junge Frau durfte sie selber schreiben, wobei er aber jeden Eintrag kontrollierte und, wo er es für richtig empfand, korrigierte. Wie sich die 19jährige Clara von ihm loskämpft, um (natürlich gegen den Willen des Vaters) Robert Schumann, die große Liebe ihres Lebens, zu heiraten, ist sehr berührend und nötigt Respekt ab.

 

Kämpfen musste sie auch später oft. Als ihr Mann starb, war sie erst 37 Jahre alt und Mutter von 7 Kindern. Entgegen dem, was gesellschaftlich üblich gewesen wäre, heiratete sie nicht neu, sondern führte ihr erfolgreiches Künstlerinnenleben auch als Alleinerziehende weiter und entsprach dadurch in keiner Weise dem bürgerlichen Frauenbild ihrer Zeit. Dies führte sie konsequent weiter, leitete zu einem späteren Zeitpunkt eine Klavierklasse an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main und war damit die erste und für lange Zeit einzige Frau in einer solchen Position. Clara Schumann erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen und wurde über ein halbes Jahrhundert auf den Konzertbühnen Europas gefeiert.

 

Zweifelsfrei war Clara eine ungewöhnlich moderne Frau, die Autorin stellt in ihrem Buch aber die Künstlerin in den Mittelpunkt. Clara liebte und lebte die Musik, sie spielte und komponierte, übte stetig und ausdauernd, um die gewünschte Perfektion und Brillanz zu erlangen bzw. zu erhalten. Tapfer nahm sie alle Strapazen der Konzertreisen auf sich und genoss den Lohn der ihr entgegengebrachten Ovationen. Die Musik gab ihr Halt auch in schweren Zeiten und als ihr das Musizieren im Alter krankheitsbedingt nicht mehr möglich war, ahnt man als Leser schon, dass dies ihr Lebensende eingeläutet hat.

 

Indem man ihr Leben verfolgt, liest man auch vieles über das ihres Mannes Robert Schumann und das eines ihrer engsten Freunde, Johannes Brahms. Obwohl das gezeigte Bild von Clara überwiegend positiv ist, finden auch ihre schlechteren Eigenschaften Erwähnung. Nicht jede ihrer Verhaltensweisen mag man gutheißen, aber man kann leicht nachvollziehen, wie sie zu dem Menschen wurde, der sie war. Als Künstlerin ist sie über jeden Zweifel erhaben und ihre mutige Rolle als moderne Frau verdient auf jeden Fall Respekt.

 

Die Biographie liest sich leicht und angenehm, ist chronologisch aufgebaut und in logische Kapitel gegliedert. Eingestreut in den Text finden sich immer wieder passende Bilder und Fotos. Bei ihrer sorgfältigen Recherche konnte die Autorin auch die bisher unveröffentlichten Jugendtagebücher Claras einsehen und auswerten.

 

Ein kleines Manko stellen einige Unregelmäßigkeiten im Text dar. Da stirbt z.B. eine Tochter Claras im Jahr 1938 und kann daher kaum wie auf S. 242 geschrieben »nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs« aus England zurückkehren. Oder auf S. 48: Da findet die heimliche Verlobung von Clara und Robert am 14.8.1837 statt. Danach wird beschrieben, wie sich die beiden auf die gemeinsame Zukunft freuen und »heimlich viele Monate lang« Briefe austauschen. Bis dann am 13.9.1837 der offizielle Heiratsantrag erfolgte. Viele Monate zwischen August und September? Es ist offensichtlich, dass dies nicht passen kann und wie beim Zweiten Weltkrieg, der vermutlich der Erste war, ein kleiner Fehler ohne große Bedeutung vorliegt. Nur stolpere ich leider beim Lesen über solche Dinge, sie stören meinen Lesefluss und zudem wünsche ich mir von einem Sachbuch / einer Biographie stimmige Angaben. Von Stolpersteinen dieser Art gibt es noch ein paar, daher muss ich leider einen Stern abziehen, obwohl ich ansonsten gerne fünf gegeben hätte.

 

Fazit: Hochinteressantes Porträt einer ungewöhnlichen Frau und brillanten Künstlerin. Der Untertitel des Buchs lautet »Ein Leben für die Musik« und trifft voll auf den Punkt.