Rezension

Eine unheimliche Geschichte voller dunkler Magie und Grausamkeit

Der Ruf des Henkers - Björn Springorum

Der Ruf des Henkers
von Björn Springorum

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Der gefürchtetste Henker Englands zieht im 19. Jahrhundert von Dorf zu Dorf, um dort Kleinkriminelle und Schwerverbrecher am Galgen hinzurichten. Jeder fürchtet sein Auftauchen und erzittert bei der bloßen Erwähnung seines Namens - die grausigen Geschichten und Legenden über William Calcraft sind sein ständiger Begleiter. Bis er eines Tages ein Mädchen verschont und im Austausch dessen den liebeskranken Richard Winters als seinen Lehrling bei sich aufnimmt. Von nun an ziehen sie gemeinsam durch das viktorianische England bis ihre Geschichte in London ihren Höhepunkt erlebt, denn bösartige Fabelwesen versammeln sich, um die Menschheit zu vernichten.

MEINUNG
Der Coverkäufer in mir hat wieder zugeschlagen. Die düsteren Wolken über England bilden mit dem Henker und seinem Werkzeug einen Totenkopf, der auf der Stirn in geprägter Lackschrift den Titel trägt. Auch wenn William Calcraft nur mit seinem Strick arbeitet, konnte mich das Cover völlig überzeugen, weil die Illustration einfach so wundervoll gestaltet ist. Auf der Rückseite entdeckt man dann den erwarteten Strick und den Henkerslehrling Richard. Beim Lesen taucht immer wieder der Torbogen des Covers auf, denn jedes Kapitel ist zu Beginn eingerahmt. Äußerlich konnte mich Der Ruf des Henkers also sofort überzeugen, aber dem Inhalt trägt man ja doch immer eine größere Bedeutung zu.

Glücklicherweise hat mich auch dieser sofort gepackt. Der Schreibstil ist für ein Jugendbuch typisch einfach gehalten, aber das hat für die Spannung keinerlei Auswirkungen. Ich war von Anfang an gefesselt und wusste sofort, dass mehr hinter der Rolle des Henkers stecken musste - aber was? Durch die gewählte Ich-Perspektive der beiden Protagnisten Richard Winters und William Calcraft konnte ich mich sehr gut in die Geschichte hineinversetzen; fühlte mich mit den Charakteren verbunden. William Calcraft ist der typische Einzelgänger, welcher durch seine Arbeit gefürchtet und gemieden wird. Doch er hat eine Mission und diese erlaubt es ihm nicht unaufmerksam zu sein. Als Richard Winters als sein Lehrling in sein Leben tritt, muss Calcraft lernen über seinen Schatten zu springen und jemandenin sein Geheimnis einweihen. Richard beweist allmählich, dass er der Aufgabe gewachsen ist, aber schon bald muss er sich entscheiden, ob er seine neue Aufgabe erfüllt oder der Liebe nachgibt. Die beiden Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, aber harmonieren großartig zusammen. Sie ergänzen sich prima und im Laufe der Geschichte haben sie einen positiven Einfluss aufeinander, so dass sie sich stetig weiterentwickeln.

"Furcht ist gut, jedoch darf sie dich nicht kontrollieren. Setze sie als Waffe ein, lasse dir deine Sinne von ihr schärfen. Dann wird sie dir dabei helfen, am Leben zu bleiben. Wenn du der Furcht auch nur einen einziges Mal die Oberhand überlässt, wird sie dich zerfleischen." ~ S. 70 

Weitere Charaktere bieten Abwechslung und sorgen für die ein oder andere überraschende Wendung. Aber mich konnte vor allem der bildhafte Schreibstil überzeugen, welcher mich regelrecht nach Whitechapel versetzt hat. Ich bin gemeinsam mit Richard und Calcraft durch die stinkenden Gassen gewandelt und habe die bedrückende Stimmung im Newgate-Gefängnis gespürt. Die Mischung aus historischen Fakten und magischen Fabelwesen machen Der Ruf des Henkers zu etwas Besonderem. Es wird nichts geschönt und London in all seiner Scheußlichkeit des 19. Jahrhunderts dargestellt - dreckig, stinkend und gefährlich. Dennoch hatte die Stadt auch damals schon einen gewissen Charme und besonders die Nebencharaktere Benjamin und Rose bringen Herzlichkeit in die Geschichte.

FAZIT 
Eine unheimliche Geschichte voller dunkler Magie und Grausamkeit - Albträume inklusive, die nicht einmal vorm Autor selbst halt machen. Von mir gibt es 4 von 5 Punkten mit starker Tendenz zur vollen Punktzahl. Besonders der reale historische Hintergrund macht die Geschichte unglaublich bedrückend; die Fiktion hingegen macht sie zu etwas Besonderem.Wer Lust auf ein spannendes Abenteuer hat, ist hier genau richtig.