Rezension

Eine wahrlich epische Geschichte - dafür ist stellenweise Geduld gefragt

Der Rote Krieger 01 - Miles Cameron

Der Rote Krieger 01
von Miles Cameron

21 Florin pro Monat sind nicht viel Geld, wenn man dafür sein Leben riskieren muss. Glücklicherweise hat der rote Krieger mit seiner Söldnertruppe einen eher unscheinbaren Job angenommen: eine Abtei vor drohenden Angriffen zu beschützen. Die Abtei hat viel Geld, genug um die Truppe des roten Kriegers für eine Weile zu beschäftigen. Auf dem ersten Blick sieht alles nach einem ganz alltäglichen Auftrag aus. Doch aus einem Monster der Wildnis werden schnell zwei und der Hauptmann bekommt mehr und mehr das Gefühl, das ihm die Äbtissin etwas verschweigt. Denn hinter den Grenzen der Wildnis lauert eine ganze Armee...

Mein Eindruck
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Zuerst einmal sollte man wissen, dass der Autor ein Experte auf dem Gebiet mittelalterlicher Geschichte ist. Sein Wissen über Waffen und Kriegsführung spiegelt sich im gesamten Buch wieder, zum Teil außerordentlich detailreich. Aber zunächst zur Weltgestaltung: Alba ist ein Königreich und erstreckt sich bis an den Rand der Wildnis. Zentral herrscht der König, außenherum verteilen sich zahlreiche Festungen und Adelshäuser. An sich leben die Menschen in Frieden, die letzten Auseinandersetzungen mit der Wildnis sind lange her. Denn hinter den dichten Wäldern verbirgt sich eine Welt, voller magischer Geschöpfe und Naturgewalten. Mittlerweile haben sich die Menschen jedoch so weit ausgebreitet, dass kaum einer mehr die Wildnis wahr- und ernst nimmt.

Ein Fehler, wie sich im Laufe des Buches herausstellen wird. Beginnt die Erzählung noch im kleinen Kreis mit geringen Auswirkungen, läuft es am Ende auf drastische Veränderungen im gesamten Königreich hinaus. Der Weg dahin ist lange, sehr lange und manchmal schon fast anstrengend zu lesen gewesen. Das liegt daran, dass Miles Cameron sehr viele Erzählperspektiven und Erzählstränge verbaut hat. Zwischendurch habe ich einmal gezählt und bei 16 verschiedenen POVs aufgegeben. Hilfreich ist, dass zu Beginn steht, wer erzählt und wo sich das Geschehen ereignet. Zu Beginn des Buches gibt es auch eine Karte, mit der man sich gut zurechtfinden kann. Dennoch braucht es seine Zeit, bis einen die Charaktere und Zusammenhänge klarer werden. Zum Teil wird eine Perspektive nur einmal verwendet, andere hingegen treten ständig auf, mit der Zeit erschließt sich ihre Bedeutung. Im Verlauf nimmt die Perspektivendichte ab, die Geschichte lässt sich daraufhin leichter verfolgen. Für meinen Geschmack hätte man schon zu Beginn mit weniger arbeiten können.

Dafür bekommt man auch wirklich eine detailreiche und bildgewaltige Geschichte geboten. Trotz seiner Komplexität kann Miles Cameron in den einzelnen Abschnitten nachvollziehbar und flüssig schreiben. Sein Schreibstil selbst ist im Vergleich zu den zahlreichen Wechseln sehr angenehm. Die Erzählstränge verweben sich schließlich zu einem großen Ganzen, ohne dass dabei ein Strang auf der Strecke bleibt. Meiner Meinung nach wirklich eindrucksvoll, dass der Autor nicht einen einzigen Faden verloren hat. Gewöhnt man sich an die Erzähldichte, beginnt die Welt mit ihren zahlreichen Charakteren, politischen Abläufen, epischen Schlachten und Geschöpfen einem richtig ans Herz zu wachsen. Vor allem im letzten Drittel (bei 1200 Seiten noch immer 400 Seiten) überschlagen sich die Ereignisse und weisen nicht eine langatmige Passage auf. Dafür ist vorher stellenweise Geduld gefragt, der ein oder andere Abschnitt hätte sicher kürzer ausfallen können.

Erstaunlicherweise endet das 1200 Seiten Epos in sich abgeschlossen. Bei den Ausmaßen zwischendurch, hätte ich mir das nie vorstellen können und hatte eher mit einer Endlosschleife á la George R. R. Martin gerechnet. Es werden dennoch genügend Anreize für weitere Erlebnisse des roten Kriegers und seiner Truppe gesetzt - ich werde mir das sicher nicht entgehen lassen!

Fazit
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Bei "Der Rote Krieger" ist Durchhaltevermögen gefragt. Miles Cameron erzählt mit einer Tiefe, wie sie mir selbst im High Fantasy Bereich bisher kaum begegnet ist. Die verschiedenen Perspektiven können zu Beginn ein wenig überfordern, dafür bleibt einem kein Blickwinkel verborgen. Vermittelt er anfangs ein bloßes Anbahnen von Ereignissen, wird man als Leser im Verlauf des Buches von den Geschehnissen mitgerissen und fast schon überrollt. Eindrucksvoll verwebt er seine Erzählstränge miteinander und schafft es auch noch, alles rund abzuschließen. Manchmal hätte es nach dem Prinzip "weniger ist mehr", doch etwas kürzer und prägnanter sein können. Nichtsdestotrotz bin ich beeindruckt und werde mir den nächsten Auftrag nicht entgehen lassen!