Rezension

Eine Werbung für die Pharmaindustrie?

Haut nah - Yael Adler

Haut nah
von Yael Adler

Bewertet mit 5 Sternen

Sachbücher lesen sich (für mich zumindest) immer langsamer als Belletristik und doch habe ich "Haut Nah" von Yael Adler ziemlich schnell durchgelesen. Ich habe keine Medizin studiert und auch Biologie war nie mein liebstes Fach (dann eher Chemie, was aber im Buch auch eine Rolle spielt), aber durch die anschauliche und vor allem sehr direkte Sprache erklärt die Autorin den menschlichen Körper. Ja! Den gesamten menschlichen Körper, denn die Haut ist eben nicht nur unsere Schutzhülle.

Kapitelaufteilung

Die Kapitelaufteilung finde ich sehr gut gewählt, da man sich sehr wohl einfach nur auf ein Kapitel konzentrieren, oder eben auch das gesamte Buch lesen kann. Zunächst beginnt die Ärztin mit den Grundlagen und damit mit dem Aufbau der Haut. Ganz verbildlicht erklärt sie dem Leser die Haut als eine Tiefgarage, wodurch auch Nicht-Mediziner und -Biologen es ganz einfach verstehen können. Diese Metapher greift sie im Buch immer wieder auf, wodurch man immer weiß, wo man sich gerade befindet.
Im zweiten Teil geht sie auf den Prozess des Alterns, auf die Auswirkungen von Sonne, Tattoos und Botox auf unsere Haut und auf das Thema Hygiene ein. Anonymisierte Beispiele von Patienten bringen an manchen Stellen zum Schmunzeln, andere schockieren jedoch auch. Dieser Teil ist besonders informativ, weil der Leser hier wirklich lernt, seinen Körper bewusster wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Der dritte Absatz ist mit "Ein Ausflug GenItalien" überschrieben und hier geht Sie auf das Thema Sex ein. Welche Auswirkungen Sex und Liebe auf unser Hautbild haben können und was in unserem Körper beim Liebesakt passiert.
"Die Haut ist, was du isst" ist der vierte Teil des Buches und auch hier erklärt die Haut- und Ernährungsärztin dem Leser genau, welche Prozesse beim Essen in unserem Körper passieren. Zunächst einmal geht sie dabei auf die Erklärung von Makro- und Mikronährstoffen ein und später dann auf gewisse Unverträglichkeiten und auch Schadstoffe, die wir durch die Nahrung aufnehmen.
In einem abschließenden Kapitel zeigt sie, warum die Haut ein Spiegel unserer Seele ist und dass nicht nur negative Gefühle sich äußerlich bemerkbar machen.

Forschungsarbeit

Bei einem Sachbuch stellt sich natürlich immer die Frage nach der Forschungsarbeit, wie gut ist der Inhalt recherchiert und wie werden die Thesen bewiesen. Über die Richtigkeit kann Adler wohl vor allem mit ihren Kollegen diskutieren. Aber im gesamten Buch kommt es niemals so rüber, als möchte die Autorin den Leser in eine bestimmte Richtung drängen. Die Aspekte werden alle im Pro und Kontra Schema betrachtet und verschiedene Studien herangezogen. Die medizinische Forschung ist noch lange nicht am Ende angekommen und das gibt Yael Adler auch immer wieder zu. Der Leser bekommt einen Überblick und nicht vorgeschrieben, was er tun oder nicht tun sollte (bis auf zwei Ausnahmen, aber lest selbst!).

Wer kann das Buch lesen und wer sollte es lassen?

Ich finde das Buch sehr interessant und informativ. Die lockere Sprache und auch die Illustrationen von Katja Spitzer sorgen für ein sehr gutes Verständnis für jedermann. Das Buch ist also jedem zu empfehlen, der gerne mehr über sich und seinen Körper erfahren möchte. Nicht nur Menschen mit Hautproblemen werden hier mit interessanten Informationen versorgt. Dennoch würde ich das Buch nicht jedem empfehlen, Menschen die zu einer Hypochondrie neigen, sollten von diesem Buch lieber Abstand halten, denn natürlich ist es wichtig sich auch mit Krankheiten auseinander zusetzen, aber wenn es dadurch zur Verschlimmerung des psychischen Zustandes kommt, ist es besser, davon abzuraten.

Insgesamt kann ich das Buch sehr empfehlen und um meine oben etwas provokativ gestellte Frage zu beantworten: Nein, ich halte Haut Nah nicht für eine Werbung für die Pharmaindustrie. Yael Adler gibt einen informativen Einblick in das System unsere Haut und gibt hier und da natürlich auch Tipps. Doch sie hat ihr Buch selbst eigentlich schon am besten zusammengefasst:

"Sie haben sicher bemerkt, dass dieses Buch kein klassischer Ratgeber ist. Sie haben wenig darüber gelernt, welche konkrete Therapie zu welcher Diagnose passt, mit welchen Cremes Sie welche Krankheiten behandeln und wie Sie ewig jung bleiben und niemals sterben. Es ist kein Zauberbuch, das die magischen Geheimnisse der Stars verrät, die Geheimnisse ihrer vermeintlich makellosen Schönheit. Da hätte man ein Buch über Photoshop schreiben müssen. Es ist vielmehr ein Buch über den Zauber der Haut, über all das, was unsere Haut ausmacht, ihre Seele, ihre Aufgaben, ihr Duft." (Adler, Y.: Haut Nah, München 2016, S. 331)