Rezension

Eine wunderbare Familiensaga zur Zeit des Ersten Weltkriegs

Das Haus am Alsterufer - Micaela Jary

Das Haus am Alsterufer
von Micaela Jary

Schon allein das Cover des Buches ist ein Blickfang, wie ich finde - das historische Flair prangt schon auf dem Buchdeckel, da weiß man direkt, was einen erwartet.

Nachdem ich die Geschichte der Dornhains jetzt gelesen habe, ärgere ich mich doch über den Klappentext. Dass beispielsweise Klara Victors Tochter ist, kann der Leser irgendwann im Laufe des Buches vermuten, tatsächlich ausgesprochen bzw. in diesem Fall aufgeschrieben, wird es aber erst auf der letzten Seite - da wäre einiger Spielraum für Vermutungen erhalten geblieben, wenn dies dem Leser nicht schon vor dem Lesen bekannt gegeben worden wäre. Darüber hinaus findet Lavinia ihre "Bestimmung" dann auch erst ganz am Ende der Handlung und Klara trifft Gabriel, ihre große Liebe, vollkommen unabhängig von der Suche ihrer Mutter...

Doch genug der Kritik, denn an der eigentlichen Handlung habe ich keine: Micaela Jary zeigt sehr schön das Korsett der ungeschriebenen Regeln, in das jeder Bürger der höheren Schicht geschnürt wurde - gerade Frauen durften sehr vieles nicht, weil es sich nicht schickte und waren in ihrer persönlichen Freiheit sehr eingeschränkt. Auch dass eine Heirat aus vielen Gründen geschlossen werden konnte, wenn sie Vorteile mit sich brachte - Liebe war allerdings kein zwingender - wird am Leben der Schwestern deutlich.

Die Charaktere in "Das Haus am Alsterufer" sind sehr vielschichtig und unterschiedlich. Doch ausnahmslose alle, selbst die egoistische und naive Lavinia, wachsen dem Leser mit der Zeit ans Herz. Und auch die Schicksale, die sie erwarten, lassen den Leser nicht unberührt. Der emotionale und mitunter tragische Plot bringt den Leser in eine Zwickmühle: einerseits meint man, kein weiteres Drama ertragen zu können, weil man automatisch mitleidet, andererseits ist nicht weiterlesen aber definitiv auch keine Option!

Sehr schön beleuchtet Micaela Jary auch einen Aspekt, der bei Weltkriegsbüchern oft zu kurz kommt:  Die Heimatfront. Denn hier befinden wir uns nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in Hamburg und die Auswirkungen, die der Weltkrieg dort auf die Bürger hat, wird wunderbar herausgestellt. Auch erfährt man einiges über die Frauenbewegung der damaligen Zeit, was ich ebenfalls sehr interessant fand.

Sollte ich einen Kritikpunkt haben, dann lediglich den, dass wir Neles, Lavinias und auch Klaras Leben ausgiebig begleiten, Elinor, die älteste der Schwestern, hingegen bleibt im Hintergrund und kommt meines Erachtens ziemlich kurz - dabei wäre bei ihr sicher auch einiges an Potential gewesen.

"Das Haus am Alsterufer" ist eine mitreißende und tief greifende Familiensaga, die man jedem Liebhaber historischer Bücher nur empfehlen kann!