Rezension

Eine wunderschöne, zu Herzen gehende Geschichte. Meine absolute Leseempfehlung!

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge - Ruth Hogan

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
von Ruth Hogan

Bewertet mit 5 Sternen

"Das Leben, das sie zusammen hätten haben können, war ein Phantasiegebilde, dem Anthony sich nur selten hingab, weil es zu sehr schmerzte. Vielleicht wären sie jetzt Großeltern. Therese hatte nie über Kinder gesprochen, aber sie hatten auch beide angenommen, dass sie alle Zeit der Welt haben würden. Ein tragischer Irrtum, wie sich herausstellte. /.../ Stattdessen wanderte Anthony den ganzen Tag durch das leere Haus und sammelte verzweifelt jede Spur von ihr ein, den Abdruck ihres Kopfes auf einem Kissen, tizianrote Strähnen in ihrer Haarbürste und verschmierten Lippenstift an einem Glas. Erbärmliche, aber kostbare Nachweise eines nun erloschenen Lebens." 

 

 

Der 74-jährige Schriftsteller Anthony Peardew hat seinen Beruf an den Nagel gehängt. Trotzdem verbringt er viel Zeit in seinem Arbeitszimmer oder begibt sich immer wieder, mit seiner Tasche bewaffnet, auf lange Streifzüge durch die Stadt. Dort sammelt er seit nun mehr vierzig Jahren auf, was er findet: verloren gegangene Dinge mit mehr oder weniger Gegenwert: "ein Puzzlestück, blau mit weißem Fleck", " ein limettengrünes Haargummi mit Plastikblumen", ein Medaillon und eine fast leere Huntley & Palmers - Keksdose, beide mit einer ganz besonderen Bedeutung für die ehemaligen Besitzer. Für die einen vielleicht wertloser Plunder, für Anthony aber unermesslich kostbar. Sein Haus wird zu einem Sammelsurium, in dem alle diese herrenlosen Dinge eine neue Heimat finden, fein säuberlich beschriftet und sortiert. 

Doch wie sollen all diese Gegenstände zurück zu ihren Besitzern finden? Warum ist sein Arbeitszimmer immer vor den Blicken anderer verschlossen? Und warum wird der sonst so ruhige, alte Mann immer unruhiger und fahriger?  

 

Schnell habe ich den stets freundlichen, unaufdringlichen Anthony mit seiner makellosen Höflichkeit in mein Herz geschlossen. Auch das behagliche, viktorianische Haus in dem Anthony wohnt, hat mich von Beginn an verzaubert. Denn das Padua ist mehr als nur ein Haus. Es ist ein sicherer Ort, um Wunden zu heilen, um Tränen zu trocknen und aus den Augen verlorene Träume zu erneuern. Eine Zuflucht für gestrandete, verlorene Seelen.

Dort lernen wir auch Laura, seine persönliche Assistentin, Freddy, den Gärtner und die fröhliche Sunshine kennen und lieben. Man kann sich diesen liebevoll gezeichneten Figuren mit ihren Ecken und Kanten und ihren Hoffnungen und Sehnsüchten einfach nicht entziehen. Und man möchte es auch gar nicht, weil man sich als Leser nicht nur als Zuschauer sieht, sondern mit Herz und Gefühl in diese Geschichte eintaucht und mitfiebert. 

 

Auch die "Geschichte in der Geschichte", ein zweiter Handlungsstrang, der vierzig Jahre zurückliegt, schafft es zu fesseln. Hier treffen wir auf Bomber und Eunice, einen bekannten Verleger und seine Assistentin, die Filme über alles lieben und auf die egoistische, oberflächliche Portia, die meine Emotionen immer wieder hochkochen lassen hat.  

 

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, wenn ich erzählen wollen würde, was mich an diesem Buch begeistert hat. Die feinfühlige, sensible Art der Autorin zu schreiben, ein Schreibstil der gewaltige, bleibende Bilder im Kopf hinterlässt oder die, wie scheinbar nebensächlich auftauchenden "Personen", wie Godfrey oder Douglas und Carrot, die mich berührt und nachdenklich zurückgelassen haben. Die Autorin zeigt, dass auch kleine Dinge und Gesten eine große Bedeutung haben können, die man im Alltag häufig übersieht. Alles im Leben ist vergänglich. Wir haben nicht ewig Zeit. Auch wenn wir das glauben. 

Ein Zitat ist an meine "Kühlschranktür" gewandert und wird mich immer wieder daran erinnern, dass nichts im Leben sinnlos ist: "Wenn man nie traurig ist, woher soll man dann wissen, wie es ist, glücklich zu sein."  

 

Das Buch wurde als Hardcover im Mai 2017 im List-Verlag (Ullstein) veröffentlicht. Es ist hochwertig verarbeitet und überzeugt mit einem schönen Schutzumschlag und einem Lesebändchen. Auf dem mintgrünen Cover ist neben dem Titel und dem Namen der Autorin lediglich eine Taschenuhr abgebildet. Vielleicht ging auch sie verloren; vielleicht ist sie aber auch ein Symbol für die verlorengegangene Zeit. Diese Taschenuhr ist auch - sich immer wieder wiederholend - auf den Innenseiten der Vorder-und Rückseite des Buches abgebildet. 

Die Schrift auf dem Cover selbst ist leicht haptisch hervorgehoben und kippelt in den Buchstaben. In sich ein einfaches, minimalistisches, aber stimmiges Cover, mit einem hohen Wiedererkennungswert. 

 

 

Fazit: 

"Wir warten alle darauf, gefunden zu werden ..."

Eine wunderschöne, zu Herzen gehende Geschichte über verlorene Dinge, zweite Chancen und die große Kraft der Liebe und aufrichtiger Freundschaft. Meine absolute Leseempfehlung!   

Danke für dieses wundervolle Debüt, das mein Herz tief berührt und mir kostbare, kleine (Lese-)Momente geschenkt hat.