Rezension

Eine wundervolle Hommage an das Lesen und die Queen - britischer Humor trifft auf Tiefsinnigkeit und Bibliophilie.

Die souveräne Leserin
von Alan Bennett

Bewertet mit 5 Sternen

Die Opsimathin und ihr Amanuensis

Die Hunde sind schuld. Beim Spaziergang mit der Queen rennen sie los, um den allwöchentlich in einem der Palasthöfe parkenden Bücherbus der Bezirksbibliothek anzukläffen. Ma'am ist zu gut erzogen, um sich nicht bei dem Bibliothekar zu entschuldigen, leiht sich ebenfalls aus Höflichkeit ein Buch aus - und kommt auf den Geschmack. Von da an deckt sie sich jede Woche mit Lesestoff ein und lernt den Küchengehilfen Norman kennen, mit dem sie sich fortan über ihre Lektüre unterhält (wie übrigens auch mit dem verdutzten französischen Präsidenten)...(Klappentext)

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"Auf Windsor gab es ein abendliches Staatsbankett, und als der französische Präsident seine Position neben Ihrer Majestät eingenommen hatte, reihte sich die königliche Familie dahinter auf, und die Prozession setzte sich langsam in Richtung Waterloo Chamber in Bewegung." (S. 5 - Anfang)

Man scheint hier kleine Einblicke in das Leben der Queen, die Hofetikette und die Abläufe von Staatsbesuchen zu erhalten. Ob dies nun wirklich der Wahrheit entspricht sei mal dahingestellt. Sicher ist, wäre ich an der Steller Ihrer Majestät, würde ich mich ebenso in die Welt der Bücher flüchten. Denn genau das tut sie, nachdem sie eines Tages die Bekanntschaft mit einem Bücherbus und einem Jungen namens Norman gemacht hatte. Vor allem durch Norman entdeckte sie die Liebe zur Literatur und zum Lesen. Anfangs war sie in der Hinsicht noch etwas zurückhaltend.

"Man hatte keine Vorlieben zu haben. Ihr Beruf verlangte Interesse zu zeigen, aber keine Interessen zu haben. Und außerdem war Lesen nicht tun. Sie war ein Mensch der Tat." (S. 8)

Doch das änderte sich schnell, je mehr sie in die Welt der Bücher eintauchte. So sehr, dass ihr Staatsbesuche und Eröffnunsgalas lästig wurden und sie es sich erlaubte dafür zu spät zu kommen, ja sogar hin und wieder eine Krankheit vorzuschieben, nur um nicht teilhaben zu müssen und sich stattdessen mit einem Buch zurückzuziehen.
Die Queen verändert sich und entzieht sich zunehmend der Kontrolle des gesamten Hofstaates. Dieser ist darüber alles andere als begeistert und schreitet zur Tat - mit unvorhergesehenen Konsequenzen.

Dieses Büchlein ist eine wahre Hommage an die Queen, aber vor allem an die Literatur und das Lesen selbst. Eine Geschichte über Bücher, wie sich das Leseverhältnis durch zunehmendes Lesen verändert, man sich selbst verändert.
Dies alles sieht man hier am Beispiel der Queen, welche sich nur noch mit Büchern und dem Lesen beschäftigen möchte. Auch sie verändert sich - wird zunehmend offener, direkter, quasi mehr sie selbst. Ihr Hofstaat hingegen sieht das jedoch als schleichende Vergreisung - die Schrullen einer alten Lady.
Dadurch ergeben sich äußerst witzige Dialoge, die den typisch trockenen und oft bissigen britischen Humor beinhalten.

">>Ich spinne hier nur mal ein paar Gedanken, Ma'am, aber es wäre sicher hilfreich, wenn wir eine Presseerklärung des Inhalts herausgeben könnten, dass Ihre Majestät neben englischer Literatur auch ethnische Klassiker liest."<<
>>An welche ethnischen Klassiker hatten Sie da gedacht, Sir Kevin? Das Kamasutra?<<"
(S. 43)

Doch auch tiefsinnige Gedanken, die jeden Bibliophilen beschäftigen sind hier enthalten.

">>Für mich<<, so schrieb sie, >> ist Literatur ein riesiges Land, zu dessen fernen Grenzen ich mich aufgemacht habe, die ich aber unmöglich erreichen kann. Und ich bin viel zu spät aufgebrochen. Ich werde meinen Rückstand niemals aufholen.<<" (S. 46)

 

Endlos könnte man aus diesem Büchlein zitieren und ebenso endlos darin verweilen.

Fazit:
Ich tauchte für paar Stunden darin ein, schmunzelte, lachte und nickte des öfteren bestätigend wenn es um die Liebe und die Gefühle zur Literatur ging. Es ist ein Buch in dem ich mich regelrecht zu Hause fühlte und wie gerne wäre ich noch bei  der Queen und ihren Büchern verblieben.
Alan Bennett schreibt locker-flockig, mit viel Witz und doch auch so eindringlich und mit Tiefe. Daher bekommt dieses bibliophile Büchlein von mir eine absolute Leseempfehlung und mit Sicherheit war dies nicht mein letzter Bennett.

In diesem Sinne - "Man legt sein Leben nicht in seine Bücher. Man findet es in ihnen" (S. 97)

© Pink Anemone