Rezension

Einen gemischten Perspektiv-Salat, bitte!

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens - J. Ryan Stradal

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens
von J. Ryan Stradal

Bewertet mit 5 Sternen

Man darf sich von dem Klappentext nicht in die Irre führen lassen! Hier geht es nicht primär um Eva Thorvald; es laufen kleine Geschichten ihrer Freunde und Bekanntschaften zusammen, deren Mündung die berühmte Köchin und ihr Dinner zu sein scheinen.

Eva Thorvald reift zu einer meisterhaften Köchin heran, deren Geschmackssinn ohnegleichen ist. Köstlichkeiten wie nicht von dieser Welt bereitet sie zu, die so anschaulich beschrieben werden, dass man sie fast schmecken kann. Aber eben nur fast, denn man meint, solche leckeren Dinge gäbe es in der Realität kaum zu finden.

Ich muss zugeben, dass ich diesen Roman nicht ganz vorurteilsfrei zu lesen begonnen habe: Mir war von Anfang an klar, dass er mir gefallen würde. Ich bin bestechlich, wenn es um Essen geht. Dass „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“ nun aber eines meiner Lieblingsbücher geworden ist, hat nicht nur mit Rezepten, einem ausnehmend schönen Cover und kulinarischen Beschreibungen zu tun.

Wir lernen Eva Thorvald oder auch die Welt um sie herum aus unterschiedlichen Perspektiven kennen. Dadurch wirkt die Geschichte dynamisch und abwechslungsreich; man meint, Eva von allen Seiten zu beleuchten. Ihre Karriere, ihr Charakter erscheinen somit glorreicher, als sie es aus ihrer eigenen Sicht könnten. Selbst, wenn man durch die Augen jener blickt, die Eva nicht einmal leiden können. Keine falsche Bescheidenheit!

Im Grunde werden in dieser Lebensgeschichte einer Frau vielmehr die kleinen (essentiellen) Momente ihrer Bekanntschaften zusammengefasst, die so unterschiedlich wie möglich gestaltet sind. Der Klappentext kann hier irreführend sein: Bisweilen vermisst man den Bezug zur hauptsächlichen Story, aber ich finde, am Ende läuft doch alles zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Sogar die Rezepte, die zunächst wie zufällig eingestreut wirken, sind womöglich bedeutungsvolle Leitmotive. Diese Technik schließt Ausschweifungen gelegentlich ein, die sicherlich nicht jedermanns Sache sind. Meine schon.

Der Schreibstil ist flüssig und unverschnörkelt, die Handlung setzt meistens eher auf Tragik als auf Komik, verliert dabei aber kaum an Leichtigkeit. Die Charaktere lernt man so weit kennen, dass man einen groben Eindruck erhält, dann werden sie einem aus den Händen gerissen und machen anderen Figuren Platz. Man gewöhnt sich daran, bis zum Schluss nicht ganz vertraut mit ihnen zu sein, selbst mit der vermeintlichen Hauptperson nicht. Zumindest wird einem so nicht langweilig. Vielmehr bleiben Lücken, die der Leser mit seinen eigenen Ideen füllen kann.

Alles in allem eine klare Empfehlung für alle, die sich nicht allzu sehr auf die Erwartungen versteifen, die der Klappentext hervorbringt. Für alle, die Ausschweifungen verzeihen und Perspektivwechsel wie frische Brisen aus entgegengesetzten Richtungen genießen.