Rezension

Einerseits - andererseits

Jahresringe - Andreas Wagner

Jahresringe
von Andreas Wagner

Bewertet mit 3 Sternen

Einerseits ein Buch, das mich durch den Schreibstil beeindruckt hat - andererseits ein Buch, dessen Themenbogen für mich zu weit gespannt war und damit sich selbst verlor.

Leonore Klimkeit landet in ganz jungen Jahren nach ihrer Flucht aus Ostpreußen in einem kleinen Dorf in der Gegend zwischen Köln und Aachen. Dort wird sie nie akzeptiert, auch nach vielen Jahren begegnen ihr die verbohrten Einheimischen mit Wegschauen oder Misstrauen. Als ihr Sohn Paul 12 Jahre alt ist, muss das gesamte Dorf dem Braunkohle-Tagebau weichen. In einer Neubausiedlung am Rand der Kreisstadt bleibt Leonore Familienmittelpunkt, auch für die späteren Enkel Jan und Sarah. Jan steuert tagaus tagein den gigantischen Schaufelradbagger, der sich durch die Natur frisst. Sarah wird zur Waldbesetzerin und lebt dauerhaft in einem Baumhaus.

Tatsächlich wie in Jahresringen umkreist der Leser die vielfältigen Themen des Autors. Am beeindruckendsten empfand ich dabei den Jahresring 1946 – 1964, der das Leben der Leonore Klimkeit nach ihrer Zuflucht in dem kleinen Dorf nahe des Hambacher Forstes beschreibt. Nicht die Menschen, nicht das Dorf, nur der nahegelegene Wald gibt ihr ein Gefühl von Heimat. Diese Zeitspanne wird für mein Empfinden am eindringlichsten beschrieben. Die späteren Jahresringe 1976 – 1986 und 2017 – 2018 bleiben dagegen, insbesondere was die Schilderung der Personen betrifft, viel blasser. Immer mehr wird die erzählte Geschichte als Diskussionsbasis des Für und Wider der Naturzerstörung zugunsten des Braunkohleabbaus benutzt und verliert damit die anfängliche Intensität und atmosphärische Dichte. Das ist schade, denn die Stärke des Autors liegt meiner Meinung nach in seiner Fähigkeit, sehr fein zu beobachten. Wie zum Beispiel Andreas Wagner die große Anlage der kleinen Welt einer Modelleisenbahn beschreibt, ist hinreißend.

Vielleicht wollte der Autor zu viel. Denn das Buch ist ein Familienroman über drei Generationen einerseits, an vielen Stellen atmosphärisch dicht geschildert, andererseits geht die Intensität durch die Vielzahl der Themen wieder verloren.