Rezension

Einfach nur atemberaubend.

Schattendämonen 2 - Nybbas Nächte - Jennifer Benkau

Schattendämonen 2 - Nybbas Nächte
von Jennifer Benkau

"Ich bin nicht dort. Ich schlafe nicht. Ich bin die tausend Winde, die wehen. Bin das Glitzern der Sonne im Schnee. Ich bin das Sternenlicht der Nacht. Weine nicht an meinem Grab. Ich schlafe nicht. Bin nicht vergessen. Ich bin nicht tot."

Als Joana und Nicholas auf der Flucht ein idylisches Beisamensein suchen, dass wenigstens für die Kurze Dauer ein normales Leben verspricht, holt sie die Realität schneller ein, als sie erwarteten: Während die Feinde zuschlagen wird Nicholas und Joana bewusst, dass eine Flucht nur eine Übergangslösung sein kann. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Island. Dort erhofft sich Joana von einer abtrünnigen Dämonenjägerin Hilfe. Denn ohne die Möglichkeit, ihre Clericakräfte zu nutzen, stellt Joana nur eine Gefahr dar - für sich selbst, sowie für ihren Geliebten Dämon. Nichtsahnend stoßen die beiden jedoch rasch auf weitere Hindernisse, die schwere und unumkehrbare Folgen nach sich ziehen...

Der zweite Teil der Schattendämonen-Trilogie von Jennifer Benkau ist wiedereinmal ein Highlight und ein Lesevergnügen der Extraklasse. Spannung, Emotionen, atemberaubende Charaktere und ein hochexplosiver Plot sorgen  für Gänsehaut-Feeling.

"Wer den Frieden liebt, ist zu allem bereit, um ihn zu verteidigen, und damit keineswegs ungefährlich. Es kommt nur darauf an, auf der richtigen Seite zu sein."

Zentraler Punkt der Geschichte ist diesmal nicht nur die Flucht vor dem Luzifer, sondern vor allem die Vertrauensbasis zwischen Nicholas und Joana. Immer wieder wird diese auf eine harte Probe gestellt, in der beiden vor allem ihre Ängste und Hoffnungen vor Augen gerückt werden. Es ist ein Kampf, den auszufechten schon manch ein Leser durchgemacht hat. Zu 100% kann man sich in die Gefühlswelt beider Charaktere begeben, versteht beide Seiten, wiegt das Für und Wider ab, erfährt sowohl die Leiden von Misstrauen als auch die Angst, dem Vertrauen einer Person nicht würdig zu sein.

"Warum machst du es mir so schwer, dich zu lieben? - whisperte sie. [...] Und warum ist es mir unmöglich, es nicht zu tun?"

Die Autorin schafft, was viele andere mühselig versuchen: Sie haucht ihren Figuren Leben ein. Und lässt sie leben, von allein. Keine gezwungenen Dialoge, keine Versuche, den Leser auf irgendeine, "Die Richtige" Seite zu ziehen. Man kommt sich vor, als ob man in ein Nest aus Gefühlen gesponnen wird und findet sich in einem Zwiespalt wider, der einem kein eindeutiges Meinungsbild liefert.
Benkau lässt ihre Charaktere leiden; sie quält sie sichtlich, spielt sie gegeneinander aus und kostet das volle Ausmaß der Entwicklungen aus. Prickelnde Wendungen machen die Geschichte unvorhersehbar, die spannende Handlung reißt einen in ein ständiges Gefühlskarussel, in eine atemberaubende Achterbahnfahrt durch die Geschichte und die Gefühle der Charaktere.

"Außerdem habe ich einen Heidenspaß an Formulierungen. Verspielter Stil? Ja. Gradlinig verschnörkelt. Meine Figuren sind mehr als nur das. In ihrer penetranten Sturheit sind sie mir oft lieber als reale Gesellschaft und wichtiger als Schlaf und Nahrungsaufnahme. Sie sind meine Engel und meine Dämonen, nicht selten in einer Person. Gerne nehmen sie mir die Arbeit ab und drängen den Plot in völlig neue Richtungen. Wie ich, tun sie grundsätzlich was sie wollen." 
(Jennifer Benkau)

Sowie sie weiß, dass dramatische Handlungen, Schicksalsschläge und Trauer zu einer guten Geschichte hören, so weiß sie auch, wie man es seinen Charakteren vergelten kann, ohne sich des Klischees "Ende gut, alles gut"/"Happy End" zu bedienen.

"Seltsam. Je eher man bereit war, für eine Sache zu sterben, desto weniger wollte man es."

Neben den Protagonisten erblühen auch andere Charaktere und geraten mehr in den Vordergrund, so geschehen mit dem Racheengel Elias. Tauchte er als Nebencharakter im ersten Teil, "Nybbas Träume" ohne allzu große Funktionen auf, wird ihm im zweiten Teil weitaus mehr Beachtung geschenkt. 
Elias stellt eine fabelhaft ambivalente Figur dar, die sich im Verlauf der Geschichte deutlich entwickelt. Eine klarere Charakterzeichung seiner Handlungsambitionen und ein tieferer Blick auf seine Sehnsüchte, Träume und Wünsche machen ihn trotz dem Verrat an Nicholas zu einem symphatischen Charakter. Er beeinflusst die Geschichte maßgeblich mit und ist bis zum bitteren Schluss ein ausgezeichneter Charakter, der dem Buch eine weitere, individuelle Note verpasst.

"Schade ist nur, dass ich nie begreife, auf welcher Seite dieser Engel steht. 
- Immer auf der richtigen, sagte er und schämte sich fast, denn es war die Wahrheit."

Zudem herrscht wieder eine vorzügliche Balance zwischen den Erotikszenen und der Gefühlsebene im Roman. Keine Szene wirkt gestellt, keine ist zu viel vorhanden, an den richtigen Stellen wurden diese erotischen Szenen ausgespart. An den Stellen, an denen man wahrhaft detailierte Beschreibungen erfährt, fühlt sich der Leser wie im Rausch - Die Sinne schwinden einem dahin und man liest alles durch einen Nebel voller Lust. Es ist ein perfektes Maß, denn es ergänzt die Geschichte, ohne im Vordergrund zu stehen.
Der Schreibstil ist einfach unglaublich. Herrlicher Galgenhumor, zynisch, düster, Sarkastisch, Ironisch. Ernst und rührselig, wenn es passt. Hoffnungsvoll. Jeder Satz drückt das aus, was beim Leser erweckt wird. Von einem Moment zum Nächsten findet man sich rasend vor Wut, im nächsten schnurrend wie ein Kätzchen. Wer in diesen Momenten den Leser stört, dem Gnade Gott. Denn er wird das Buch mit Leib und Seele vor Eindringlingen bewahren und notfalls zur Flucht greifen, ehe man es ihm aus der Hand schnappen kann.

"Ich schreibe mit ganzem Körpereinsatz. Paralysiert von meiner Muse, bewegungslos - bis auf meine Finger, die auf die Tasten einhacken. Nächtelang. Hemmungslos. Oder auch mal fluchend, herumrennend, lachend, jammernd, Türen zuschlagend, mich selbst hassend, oder vor Euphorie auf dem Sofa hüpfend. Das sieht leider sehr albern aus. Und wenn ich dann noch beginne, Dialoge nachzuspielen..."
(Jennifer Benkau)

Fazit

Wieder einmal hat mich Jennifer Benkau vollkommen gefangen gehalten. Die Entwicklung der einzlenen Charaktere sind authentisch dargestellt und man kann sie mit jeder Faser seiner Seele spüren. Die aussichtslose Situation Nicholas' wurde auf brilliante und originelle Weise gelöst, der atemberaubende Sprachstil untermauert die Geschichte zusätzlich. Die individuellen Charaktere gepaart mit den faszinierenden Details der Geschichte, das unglaubliche Potenzial, dass vollkommen ausgeschöpft wird, der hervorragende Geschmack betreffend Ironie und Sarkasmus machen dieses Buch schon jetzt zu meinemLesehighlight 2011.
Ich ziehe den Hut vor dieser Autorin, die es schafft, dem Leser ein vollkommen befriedigendes Gefühl zu hinterlassen und freue mich auf das Finale der Schattendämonen - Im Juni 2012 mit "Nybbas Blut"!
Meine Wertung: Wieder 5/5* mit Extra-Sternchen! Wieder einfach nur WOW.