Rezension

einfach wunderbar....

Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
von Jojo Moyes

Bewertet mit 5 Sternen

Dies ist die Geschichte von Will und Lou.
Anders als im Klappentext beschrieben, würde ich nicht unbedingt von einer Liebesgeschichte sprechen, auch wenn dies einen Teil des Kerns ausmacht. Für mich ist es in der Hauptsache eher eine Schicksalsbegegnung.

Will ist erfolgreich, vermögend, sportlich und hat eine attraktive Partnerin. Doch plötzlich verändert ein Unfall sein ganzes Leben. Die Diagnose Tetraplegie wirft all seine Pläne und Wünsche über den Haufen und raubt ihm den Lebenswillen.
Tetraplegie war mir zwar ein Begriff, aber die Darstellung der Erkrankung in all ihren Facetten schockierte mich hin und wieder doch. Dass Will, der eine recht bewegte Vergangenheit hatte, damit nicht umgehen kann, schien mir irgendwann nur allzu verständlich.
Ihm gegenüber steht Lou. Sie kommt aus der Arbeiterschicht, wirkt auf den ersten Blick etwas exzentrisch, ist aber sehr liebenswert und denkt immer mehr an Andere als an sich selbst. Für meinen Geschmack war sie manchmal etwas zu devot, so dass ich sie gerne geschüttelt hätte, damit sie endlich aufwacht. Auf der Suche nach einer neuen Arbeit landet sie in einer befristeten Anstellung bei den Traynors, und somit nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Will und Lou könnten unterschiedlicher nicht sein und haben anfangs daher auch einige Probleme persönlicher Art zu bewältigen.
Lou möchte Will gerne den Lebensmut zurück geben, er begegnet ihr abweisend und mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Doch Lous stets positive Art veranlasst Will dazu, dass er seine emotionale Mauer einreist. In kleinen Schritten kommen sie sich immer näher. Beide versuchen das Leben des Anderen nach eigenen Maßstäben positiv zu beeinflussen. Ob das gelingen kann ?

Ich fand die Geschichte wundervoll und traurig zugleich und kann mir gut vorstellen, dass es solche Schicksale und schicksalhafte Entscheidungen nicht nur in Romanen gibt.
Die Gegensätzlichkeit der Charaktere war sehr gut gewählt. Lou war mir von Anfang an sympathisch, bei Will dauerte es etwas länger. Über den gesamten Roman hinweg lernten sie voneinander, entwickelten sich und wuchsen zu einer festen Einheit zusammen. Es war Phasenweise kaum vorstellbar, dass es das Schicksal nicht gut mit ihnen meinen könnte. Aber so sehr ich mich für die beiden freute, schwang trotzdem immer ein etwas flaues Gefühl mit, wenn wieder ein Rückschlag daher kam.
Auch wenn das Buch von dem Zusammenspiel zwischen Lou und Will lebt, sticht Lou als Charakter eindeutig hervor. Sie macht mit Abstand die größte Entwicklung durch. Alles ist sehr nachvollziehbar, bemerkenswert und ich konnte es ihr von Herzen gönnen.

Doch auch die Nebenfiguren, obwohl sie seltener in Erscheinung traten, hatten eine sehr gute Präsenz. Wills Eltern erschienen mir zwar recht kalt, doch dieser Eindruck wurde spätestens dann revidiert, als jeder in einem Kapitel selber zu Wort kam. So erlangte man auch einen sehr guten und aufschlussreichen Einblick in ihre Gefühlswelt, der einiges verständlicher erscheinen lies. Hier wurde unter anderem deutlich, dass die Erkrankung eines Angehörigen, in diesem Fall die eines (erwachsenen) Kindes, weitreichende Folgen für alle Beteiligten haben kann. Ein Umstand, den man ja doch mal gerne vergisst….

Ein hochemotionaler Roman, der mich tief bewegt und zum Nachdenken angeregt hat. Zurück bleibt die Frage, wie viel die Liebe im Leben eines Menschen bewirken kann. Vermutlich viel, aber manchmal einfach nicht genug…