Rezension

Einfach wundervoll

S. - Das Schiff des Theseus (Limitierte Auflage)
von J. J. Abrams Doug Dorst

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Jen arbeitet als studentische Aushilfe in ihrer Universitätsbibliothek und findet beim Einsortieren der Bücher eines Tag ein Buch, welches nicht zum dortigen Bilbiotheksbestand gehört. Sie entschließt sich einige der Kapitel zu lesen und ist sofort begeistert. Diverse Randnotizen im Buch lassen darauf schließen, dass dem Besitzer des Buches viel an der Geschichte liegt, aber auch der mysteriöse Autor V.M. Straka ihn in den Bann zieht. Jen möchte dem Besitzer das Buch zurückgeben und kann ihn indirekt ausfindig machen. Die beiden führen über das Buch ganze Unterhaltungen ohne sich bisher persönlich getroffen zu haben, aber dennoch haben sie das Gefühl sich zu kennen. Gemeinsam begeben sie sich auf eine gefährliche Suche nach dem Autor V.M. Straka, dessen letztes Werk Das Schiff des Theseus war.

In der eigentlich Geschichte Das Schiff des Theseus von V.M. Straka geht es um einen Mann ohne Gedächtnis. Dieser wird verschleppt und auf ein Schiff mit einer grausigen Besatzung gebracht. Seine Reise in ein neues Leben beginnt. 

"Ich verspüre nicht den Drang ihn zu identifizieren, weil ich ihn kannte." ~ Vorwort

Durch den geheimnisvollen Übersetzer F.X. Caldeira werden durch Vorwort und eine Vielzahl von Fußnoten eigene Ideen zur Identiät des Autors geliefert. Schon bald erkennen Jen und Eric, dass CaldeiraCodes im Werk versteckt hat, die es zu entschlüsseln gilt, um dem Geheimnis näher zu kommen.

MEINUNG
Der Roman lebt von der Verschmelzung von Roman und Kommentar unter Verwendung verschiedener Perspektiven. Die Liebe zum Detail macht das Buch für mich zu etwas Besonderem. Das Buch verbirgt neben den Marginalien, diverse Beileger wie Postkarten, Fotos, Briefe, Zeitungsartikel und eine Dechiffrierscheibe. Durch die Aufmachung wirkt das Buch einige Jahrzehnte alt, welches durch Kaffeeflecken, vergilbte Seiten und anderen Zeichen der Zeit geprägt ist. Sobald man den Schuber öffnet, muss man sich einfach sofort in dieses Prachtstück verlieben. Beim ersten Lesen muss man sich erst einmal in diesen ungewöhnliche Lesestil einfinden. Liest man zuerst die Geschichte und ignoriert sowohl Fußnoten, Beileger als auch Randnotizen? Ignoriert man lediglich die Beileger und Randnotizen? Ignoriert man nichts und liest den eigentlichen Roman, die Fußnoten der Übersetzerin mit eigenen Recherchen und die Geschichte um Jen und Eric parallel? Ich habe mich für die letzte Variante entschieden. Sicher nicht die beste Methode, aber für mich genau richtig. Ich wurde so zwar immer wieder aus der eigentlichen Geschichte herausgerissen, aber ich muss gestehen, würde es nur um den eigentlichen Roman von Doug Dorst gehen, hätte mich die Geschichte an sich nicht gänzlich überzeugen können. Aber es geht um das große Ganze und die liebevollen Details machen das Leseerlebnis für mich perfekt. Man benötigt für dieses Buch auf jeden Fall ganz viel Zeit und kann nicht mal schnell zwischendurch ein paar Seiten lesen. Nur wer sich wirklich auf den Inhalt konzentrieren kann, kann die Verworrenheit und das Chaos überblicken - obwohl das wohl nie hundertprozentig möglich ist. Für unterwegs ist das Buch durch die Beilagen sowieso nicht geeignet und selbst zu Hause durften die Seiten nur mit Vorsicht umgeblättert werden. Sollte dennoch einmal ein Beileger rausfallen, kann man auf der Seite des KiWi-Verlages eine Übersicht mit den Platzierungen herunterladen. Und glaubt mir: Ihr werdet über diese Übersicht noch dankbar sein. Als wäre das Chaos nicht bereits perfekt, sind die Randnotizen natürlich nicht in chronologischer Reihenfolge verfasst worden. Die Korrespondenz zwischen Jen und Eric zog sich immerhin über Monate hinweg. So bleibt es natürlich nicht aus, dass die beiden des Öfteren zurückgeblättert haben und neue Ideen hinzugefügt haben. Erkennbar sind diese durch unterschiedliche Stiftarten. Jahre alte Anmerkungen von Eric wurden noch vorsichtig mit Bleistift hinzugefügt. Jen war mutiger und verwendete sofort einen blauen Füllfederhalter, auf den Eric mit einem schwarzen Fineliner konterte. Es finden sich aber auch rote und grüne Notizen; manchmal ging die Tinte aus und die Sätze verblassten langsam. Der Leser merkt auf jeden Fall sofort zu wem welche Randnotiz gehört und zu welchem Zeitpunkt die Anmerkungen in der Regel verfasst wurden. Wie bereits erwähnt, die Geschichte um S. ist für mich eigentlich nicht diese ganze Aufmerksamkeit wert. Es istganz nett zu lesen was S. wiederfährt und stellenweise wird es wirklich sehr spannend und ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, weil ich einfach gefesselt war. Aber insgesamt sind mir in der Geschichte doch zu viele Zeitsprünge und auch die meisten Charaktere werden mir zu kurz angerissen. Manche Städten sind aus der realen Welt und manche sind erfunden; die erfundenen Städte werden aber nur B- oder P- genannt. Das Volk der K- wird erwähnt. Diese Abkürzungen haben mich auf Dauer irgendwie genervt. Die Fußnoten von Filomela sind für mich auch meistens eher unnötig gewesen und waren vollgepackt mit Fakten, die nie erklärt werden, sondern alleine recherchiert werden müssten. Eigentlich mag ich sowas, aber nach den ersten Hinweisen hat mich bei den meisten Fußnoten dann doch schnell die Lust verlassen und ich habe sie einfach hingenommen und nicht weiter hinterfragt. Weiterhin werden auch viele imaginäre Titel erwähnt; Titel von Büchern die es nicht gibt, von einem Autor der nicht exisitiert. Manche sind Hinweise zur Lösung des Autorenrätsels und manche exisistieren in der Welt des Gesamtwerkes, aber als Leser kann man diese Dinge gar nicht wissen und muss auf Jen und Erics Wort vertrauen.  Das Gesamtwerk konnte mich dennoch überzeugen, obwohl hier mit zu vielen Namen jongliert wurde, so dass schnell der Überblick verloren geht. Die Beileger sind sehr schön gemacht (auch wenn sie manchmal kaum einen Mehrwert bringen) und verleihen dem Buch einen ganz besonderen Charme. Die Randnotizen werten das Buch für mich auf. Ja, und auch die Geschichte hat trotz der Kritik einen gewissen Reiz.

FAZIT
Das Spiel auf mehreren Textebenen ist Doug Dorst und J.J. Abrams meiner Meinung nach wirklich gelungen. Bei mir und dem Buch war es einfach Liebe auf den ersten Blick. Zwar kann ich nicht die volle Punktzahl geben, aber 4 von 5 Sternen vergebe ich jedoch sehr gerne. Die Aufmachung und die Liebe zum Detail machen das Schiff des Theseus einfach zu etwas Besonderem - es ist eben nicht einfach nur ein Buch, sondern ein Abenteuer!

@ Das Bücherchamäleon
 

Kommentare

La Calavera Catrina kommentierte am 22. Januar 2016 um 14:34

Super Rezension. Ich werde jetzt gleich mal die Postkarten und Briefe wieder einsortieren. Ich dachte nämlich, die wären willkürlich verteilt gewesen.