Rezension

Einfallsreich und "achtsam" konstruiert

Achtsam morden - Karsten Dusse

Achtsam morden
von Karsten Dusse

Bewertet mit 4.5 Sternen

Hm, dieses Buch einem Genre zuzuordnen ist gar nicht so einfach. Der Autor mischt munter und überaus unterhaltsam Elemente aus Krimi, Satire und Achtsamkeitsratgeber.

Um seine Ehe zu retten bzw. in erster Linie den Kontakt zu seiner kleinen Tochter zu behalten, besucht der mega-gestresste Strafverteidiger Björn Diemel ein Achtsamkeitsseminar – und mit den dort gewonnenen Einsichten verändert er sein Leben, – nachhaltiger und anders als man gemeinhin annehmen würde. Ihn auf diesem Weg zu begleiten, hat mir vergnügliche Lesestunden bereitet.

Diemels Interpretationen der Achtsamkeitsregeln, die ihm sein Coach an die Hand gibt, sind böse – sehr böse. Krass und durchaus auch blutig im Ergebnis, entbehren sie aber nicht einer gewissen Logik. Tatsächlich erschienen die Ereignisse nicht nur dem Ich-Erzähler Björn Diemel, sondern auch dem Leser (jedenfalls mir) irgendwie folgerichtig.

Die Figuren wirkten auf mich in erster Linie „unterhaltsam“. Besondere Sympathie oder Empathie habe ich eigentlich bei keinem verspürt. Tiefgang oder große Emotionen hätten hier auch überhaupt nicht gepasst. Karsten Dusse spielt gerade bei seinen „Protas“ gekonnt mit diversen Klischees, verbindet reale Problematik und gesellschaftskritische Aspekte mit leichter Hand. Und bringt das Ganze mit einer ordentlichen Portion sarkastischem Zynismus oder zynischem Sarkasmus *g* rüber.

Darüber hinaus gibt er detaillierte Einblicke in die organisierte Kriminalität und ihre Strukturen. Ob glaubwürdig oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Es wirkte auf mich allerdings manchmal eher persiflierend als realitätsnah, aber was in „diesen Kreisen“ de facto abgeht, übersteigt wahrscheinlich mein Vorstellungsvermögen. Am meisten hat mir hier zu denken gegeben, wie tief und wie nachhaltig sich so ein Anwalt in dieses Milieu verstricken kann. Diese Ausgangssituation von Diemel klang für mich glaubhaft.

Eine ziemlich coole Romanidee, diese gerade ziemlich angesagte „Achtsamkeit im Alltag“ mit der Frustration eines Strafverteidigers zu verbinden. Das war jetzt der zweite von einem Anwalt geschriebene Krimi der etwas anderen Art, den ich in letzter Zeit gelesen habe und obwohl inhaltlich ganz verschieden, haben mich beide gleichermaßen überzeugt.