Rezension

Einiges an Potenzial verschenkt

Das letzte Licht des Tages - Kristin Harmel

Das letzte Licht des Tages
von Kristin Harmel

Bewertet mit 3 Sternen

Ich habe dieses Buch zweimal angefangen, weil ich beim ersten Mal einfach nicht in der Stimmung war und ich irgendwie das Gefühl hatte, dass da ein brisantes Setting (Champagne während der deutschen Besetzung) als Hintergrund für eine seichte Geschichte, die von Liebesdingen dominiert wird, herhalten sollte. In Teilen traf es auch zu, denn die junge Ines ist einfach nicht so gut gemacht für die Champagnerherstellung, wie Halbjüdin Celine, die Frau des Kellermeisters. In jedem Fall fühlt sich Ines von ihrem Mann und Eigentümer des Gutes, Michel nicht genug geliebt – und das geht dann auch erst einmal wie man es erwartet weiter. Halt sucht sie bei ihrer Freundin Edith in Reims und dort findet sie diesen nicht immer, dafür jedoch einen Mann, der ihr Avancen macht. Während der Leser einfach nur noch mit dem Kopf über die Naivität von Ines schütteln kann, spitzen sich die Kämpfe weiter zu. Immer mehr Juden werden deportiert, immer häufiger das Gut von Nazis aufgesucht, die nach dem Rechten sehen wollen. Die Taktik vom Beginn der Besetzung, nämlich einfach stillhalten und warten bis es vorbei ist, hat Gutsbesitzer Michel aufgegeben und arbeitet heimlich in seinen Kellern für die Résistance. Es wird nicht mehr nur Wein versteckt, sondern auch Waffen und Menschen und immer mehr zieht sich die Schlinge zu. Und dann sorgen Verrat und Enttäuschung für den Gau…
Vieles davon erfährt man aus den verschiedenen Blickwinkeln zu jener Zeit, manches offenbart sich in der weiteren Zeitebene, denn ein Teil der Geschichte spielt 2019. In der Gegenwart suhlt sich Liv gerade in den USA in Selbstmitleid als ihre Großmutter Edith anklopft und sie mit nach Frankreich nimmt, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Schnell zeigt sich: Die 99-jährige Edith hat eigene Motive und das ist nicht nur das Verkuppeln von Liv mit einem schnittigen Franzosen…
Die Charaktere hier sind alle etwas sonderbar. Naivität auf der einen Seite, Hinterhältigkeit auf der anderen, die Résistance wurde nur recht oberflächig angerissen (da habe ich schon deutlich besseres gelesen) Insgesamt hatte die Geschichte doch einiges, was mich nicht überzeugte, teils war es zu dick aufgetragen, an anderen Stellen viel zu vorhersehbar und trotzdem: Mir hat das Buch auch irgendwie gefallen, denn das Thema ist einfach fesselnd, es darf einfach nicht vergessen werden, welche Schrecken und Grauen die Nazis über die Menschen brachten und wie ganze Familien über Generationen hinweg zerrissen oder in irgendeiner Form „beschädigt“ wurden.

Aufgrund der ganzen Kritikpunkte kann ich allerdings nur drei Sterne vergeben, dabei hatte die Geschichte so viel mehr Potenzial.