Rezension

Einiges zu kritisieren, aber im Grundsatz spannend zu lesen

Das Eis - Laline Paull

Das Eis
von Laline Paull

Bewertet mit 3 Sternen

Der Klimawandel zeigt seine Auswirkungen auch in der Arktis: Die Eisbären sind kaum noch zu sehen und das ist gerade für die Touristen ein nicht zu akzeptierender Zustand – so versuchen die Kreuzfahrtorganisationen alles, um ihren gut zahlenden Passagieren doch noch einen Eisbär vor die Kameralinse treiben zu können. Doch was ein Kreuzfahrtschiff dann erlebt, ist auch nicht alltäglich: Ein Gletscher kalbt und wirft einen Eisberg ins Meer – darin versteckt: Die bisher verschollen geglaubte Leiche des Umweltaktivisten Tom Harding. Nun wird gerichtlich von vorne aufgerollt, was damals bei seinem Tod vorgefallen ist. Mittendrin ist Sean Cawson, langjähriger Freund von Tom, Besitzer der luxuriösen Midgard Lodge, an der neben Tom noch reiche Investoren beteiligt sind; und damals Anwesender, als dieser starb.

Während die ersten Seiten des Buches noch nahelegen, dass es um Umweltschutz und Klimawandel geht, rückt das Buch im Laufe der Handlung vielmehr politische und finanzielle Motivationen in den Mittelpunkt. Nach Beendigung des Buches lässt sich sagen, dass alle Details sehr stimmig und wichtig für das Aufklären des Unfalls bzw. aller Motivationen der anwesenden Hauptcharaktere sind. Allerdings störten mich gerade in der Mitte des Buches die ausführlichen Details, wie Sean seine Lodge aufbaut, wie sich Tom und Sean kennenlernten und so weiter. Besonders interessant zu lesen war dann die Gerichtsverhandlung, weswegen ich mich bei diesen Kapiteln gar nicht mehr vom Buch wegbewegen wollte.

Zusätzlich störend habe ich empfunden, dass in diesem Buch unterschiedliche Einleitungen für Rückblenden verwendet wurden. Die Rückblenden selbst machen durchaus Sinn und haben ihre Berechtigung, aber es war dann manchmal doch wirklich schwer, zu verstehen, wo und wann man sich in der Handlung befindet, wenn manchmal Rückblenden mit dem Kapiteleinleitungssatz „Fünf Jahre zuvor …“ begonnen werden; ein anderes Mal mit der Kapitelüberschrift „Vor fünf Jahren“; teilweise gar nicht und einfach im nächsten Abschnitt die Vergangenheit aufkommt ohne sie anzukündigen und man es nur daran merkt, dass Tom eben noch quicklebendig ist; und teilweise die Kapitel Überschriften haben, bei denen man aber nicht weiß, ob sie nun in der Gegenwart oder Vergangenheit sind, weil plötzlich Zeitangaben am Anfang stehen („Oktober“), die vorher vielleicht mal im Text beiläufig erwähnt wurden, aber niemals zuvor als Kapitelüberschrift. Hier hätte ich mir lediglich eine bessere Strukturierung gewünscht, denn für die Handlung macht es zwar keinen Unterschied, aber in meinem Lesefluss hat es mich doch teilweise sehr gestört, weil ich immer innehalten musste und überlegen, wo die Handlung nun gerade einsetzt.

An einigen Stellen wurde dann auch in der Gerichtsverhandlung wiederholt, was der Leser schon aus Rückblenden weiß – aber zum Glück war das nur selten der Fall, so dass die Mischung aus Rückblenden und Aussagen sehr gut gewählt war.

Ein weiterer Kritikpunkt, wenn auch nur ein kleiner, ist, dass sich mir nicht ganz erschlossen hat, warum die Autorin vor jedes Kapitel Auszüge aus verschiedenen Erfahrungsberichten/Legenden rund um das Thema Arktis und Expedition gesetzt hat. Meiner Meinung nach passen diese nur selten zu Handlung – klar, das Buch spielt teilweise in der Arktis und es hat viel damit zu tun, aber irgendwie war doch im Vordergrund eher etwas anderes als eine Expedition oder etwas Umweltpolitisches. In einem Sachbuch bzw. einem Roman über das Leben in der Arktis oder wenn mehr Handlung sich tatsächlich um solche Themen gedreht hätte, hätten diese Abschnitte besser gepasst. So hielten sie mich eher vom Lesen ab, so dass ich nach weniger als der Hälfte des Buches sogar dazu überging, sie nicht mehr zu lesen und sie dann allesamt nach Beendigung des Buches gelesen habe und kann sagen: Sie sind definitiv interessant, aber meiner Meinung nach überflüssig in diesem Buch. Es sei denn, hier sind sehr tiefe Metaphern versteckt, die sich mir bislang nicht erschlossen haben.

Laline Paull hat eine sehr realistische Situation geschildert, bei denen es viele verschiedene Personen mit sehr unterschiedlichen und vielfältigen Motivationen gibt und die sie geschickt zu einem Gesamtwerk verflochten hat. Man sollte als Leser schon ein gewisses Interesse an Politik bzw. politischen Machtspielen mitbringen, sonst wird man über lange Strecken des Buches gelangweilt oder überfordert sein. Trotz der von mir oben angebrachten und lang ausgeführten Kritikpunkte, werde ich dem Buch dennoch 3 Sterne geben (was für mich bedeutet, dass das Buch nicht schlecht ist, aber kein Liebling von mir sein wird), da die Haupthandlung insgesamt spannend und schlüssig ist.