Rezension

Eintauchen in eine Welt, deren Geschichte vor hundert Jahren gespielt hat.

Der rote Judas - Thomas Ziebula

Der rote Judas
von Thomas Ziebula

Bewertet mit 4 Sternen

„Der rote Judas“ von Thomas Ziebula spielt kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Leipzig. Es herrscht Aufbruchstimmung auf der einen Seite, auf der anderen ist der Katzenjammer groß. Vor allem bei den Personen, die sich im Recht sehen, keinen Krieg sondern nur eine Schlacht verloren zu haben. Mütter, Schwestern und Ehefrauen warten auf Kriegsheimkehrer, doch nicht jeder kommt zurück. Und die, die dennoch kommen, sind selten unversehrt.
Unter ihnen ist auch unser Held Paul Stainer, der vor seinem Soldatenleben bereits bei der Kriminalpolizei war und nun direkt zum Inspektor befördert, wieder loslegen kann. Allerdings will er zunächst zu seiner geliebten Ehefrau Edith, die jedoch, weil er jahrelang aus der Kriegsgefangenschaft nichts hat von sich hören lassen, mit einem anderen Mann liiert ist. Das ist die eine Geschichte, die hier gesponnen wird. Die Rückeroberung seiner eigenen Ehefrau. Ob und wie ihm das gelingen mag?
Weitere Geschichten, die alle miteinander verwoben sind, lassen nicht lange auf sich warten. Seine Vorgesetzten sind sich untereinander nicht gerade grün und mögen ihn zum Teil nicht, was spannungsgeladene Momente erzeugt. Sein großzügiges Büro muss er mit Untergebenen teilen, denen er auch nicht allen über den Weg traut. Und da ist also eine Mordserie, die viele weitere Opfer erzeugt, je tiefer er in die Materie eindringt. Auf jeden Fall geht es um eine Operation Judas. Männer werden beseitigt, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben. Doch die Spürnase Stainer und gewitzte Kollegen ziehen die richtigen Schlüsse. Wie sehr die Männerbünde durch Kriegsgeschehen miteinander verwoben sind, egal in welcher Position sie nun beschäftigt sind, das muss Stainer auf die harte Tour lernen. Doch ob er sich das berühmte Butterbrot aus der Hand nehmen lässt, wird sich zeigen. Grausam sind die Mordfälle allemal. Wer oder was da wohl vertuscht werden soll ...
Es gibt viele Figuren im Spiel, die alle interessante Geschichten zu berichten haben, doch nicht alle schaffen es bis zum Schluss auch, erwähnt zu werden. Beziehungsweise fehlt mir bei der einen oder anderen Figur, dass sie wirklich zu Ende erzählt werden. Ob diese in einem weiteren Band wieder erscheinen?
Ein weiterer, wichtiger Strang ist die Traumatisierung unseres Inspektors. Obwohl noch jung an Jahren ist er bereits schneeweiß und irritiert so manchen Genossen. Apropos Genosse, die vielen verschiedenen Parteien spielen natürlich auch eine Rolle. Zurück zum Trauma: was Stainer während seiner Kriegsgefangenschaft erlebt hat, geht an keinem spurlos vorbei und hat so seine Auswirkungen auf die Arbeit und seine Liebe zu Edith.
Handwerklich ein ordentlicher Roman, der mir nur, wie oben erwähnt, am Ende ein paar Figuren zu kurz kommen lässt. Eine interessante Geschichte über die damalige Zeit, bei der viel geraucht wird, die „Elektrische“ von Frauen „huch“ gefahren wird und Telefone noch recht selten sind. Ein rasantes Tempo wird dennoch, wenn es nötig ist, vorgelegt.

Über den Autor findet sich unter https://www.rowohlt.de/autor/thomas-ziebula.html lesenswertes, ebenso unter https://www.autorenwelt.de/person/thomas-ziebula auf der weitere Werke vorgestellt werden.