Rezension

Eintauchen ins Berlin der Nachkriegszeit

Die Schwestern vom Ku'damm - Brigitte Riebe

Die Schwestern vom Ku'damm
von Brigitte Riebe

Bewertet mit 5 Sternen

Die drei Schwestern Rike, Sylvie und Flori leben in Berlin, als im Mai 1945 die Sowjetarmee in Berlin einzieht. Der Familie gehörte vor dem Krieg ein prächtiges Kaufhaus am Ku‘damm, das nun in Schutt und Asche liegt. Ihr Vater Friedrich Thalheim ist ein Gefangener, seit er in den letzten Tagen des Krieges Teil des Volkssturms werden musste und nun ist auch ihre Villa beschlagnahmt. Gemeinsam mit Friedrichs zweiter Frau ziehen die Schwestern in die alte Wohnung ihrer Großmutter und beginnen die Arbeit als Trümmerfrauen, um mehr Lebensmittel zu erhalten. Rikes Wunsch ist es, das Kaufhaus so bald wie möglich wieder aufzubauen. Dafür fehlt aber nicht nur Geld, auch die politische Situation muss sich verbessern. Dennoch ist Rike fest entschlossen, alles zu tun, damit der Wunsch wahr werden kann.

Mir gefällt das klassische Cover des Buches sehr gut. Im Hintergrund sieht man das Café Kranzler, in den 50er Jahren eine bekannte Berliner Institution. Davor ist eine Frau abgebildet, die Rike sein könnte, die älteste der Thalheim-Töchter. Diese lernt man erstmals in einem kurzen Prolog im Jahr 1932 kennen. Gerade wurde das Kaufhaus Thalheim & Weisgerber frisch renoviert und die ganze Familie kommt vorbei, um das Ergebnis zu bestaunen.

Die Geschichte springt danach in Jahr 1945, wo nichts mehr ist wie zuvor. Rike ist inzwischen 25 Jahre alt, ihre Mutter Alma vor 13 Jahren gestorben, ihr Bruder Oskar im Krieg verschollen, ihr Vater in Gefangenschaft. Dieser hat kurz nach dem Unfalltod ihrer Mutter neu geheiratet, sodass sie und Sylvie mit ihrer Stiefmutter Claire und ihrer Halbschwester Flori zusammenleben. Nach dem Kriegsende stehen sie alle quasi vor dem Nichts und ihre Gedanken gelten in erster Linie dem Weiterleben und dem Wunsch, dass Friedrich aus der Gefangenschaft entlassen wird.

Die Autorin fängt die Stimmung Berlins unmittelbar nach Kriegsende gelungen ein. Gut konnte ich mich in die Lage von Rike hineinversetzen, die für mehr Lebensmittel der anstrengenden Tätigkeit als Trümmerfrau nachgeht und gleichzeitig schon Pläne schmiedet, wie man wieder ins Modegeschäft einsteigen könnte. Einige Stoffe konnte die Familie vor dem Krieg auf Seite schaffen, und durch Zufall trifft sie nach kurzer Zeit auch die jüdische Schneiderin Miri, die den Krieg in Verstecken überlebt hat und deren Mutter einst für Rikes Vater gearbeitet hat. Doch die Wiedereröffnung des Kaufhauses liegt aufgrund von Geldmangel, stenger Rationierung und der angespannten politischen Situation in weiter Ferne.

Die Autorin führt den Leser zügig durch die Monate und Jahre und lässt ihn an wichtigen Momenten im Leben der Thalheims teilhaben. Dabei steht Rike als Charakter im Vordergrund, aber auch die Entwicklung von Sylvie und Flori, die in den weiteren Bänden in den Fokus rücken sollen, wird beschrieben. Rike ist die vernünftigste der Schwestern und versucht, langfristig zu planen. Bald kommt sie einem Familiengeheimnis auf die Spur, bei dem sie sich nicht sicher ist, ob sie es durch weitere Nachforschungen lüften will. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz – nachdem Sylvie ihr einige Jahre zuvor den Verlobten ausgespannt hat ist sie nun bereit, ihr Herz neu zu vergeben.

„Die Schwestern vom Ku’damm: Jahre des Aufbaus“ ist atmosphärisch erzählt und lässt den Leser ins Berlin der Nachkriegszeit eintauchen. Hautnah erlebt man eine Zeit zwischen Hoffnung und Hunger mit, die Isolierung Berlins mit einer Versorgung per Luftbrücke und schließlich die Einführung einer neuen Währung. Die Autorin hat drei selbstbewusste Frauenfiguren geschaffen, die eine innere Stärke besitzen und sich selbst trotz aller Restriktionen verwirklichen wollen. Ich konnte tief in die Geschichte eintauchen und werde auf jeden Fall weiterlesen, denn ich will unbedingt wissen, wie es für die Thalheim-Töchter weitergeht!