Rezension

Eiskalte originelle Geschichte

Sweetgirl
von Travis Mulhauser

Bewertet mit 4 Sternen

"Sweetgirl" von Travis Mulhauser thematisiert eine atemberaubende Flucht durch den eiskalten Winter Michigans. Es ist ein spannender und origineller Roman, der den Leser gefangen nimmt und schockiert. 

Die 16-jährige Percy ist im tief verschneiten Michigan auf der Suche nach ihrer alkoholkranken Mutter und stößt dabei zufällig im Haus des Drogendealers Shelton auf ein völlig vernachlässigtes Baby. Sie kann nicht anders als das kleine Würmchen vor dem sicheren Kältetod zu retten und nimmt es einfach mit. Percy will dem kleine Jenna in ein Krankenhaus bringen und wird vom zwar dämlichen aber gefährlichen Shelton und seinen ebenso unterbelichteten kriminellen Kumpanen verfolgt. 
Es entspinnt sich eine atemberaubende und spannende Flucht durch Kälte und Eis, bei der aus Versehen und wegen krimineller Dämlichkeit ein paar Leichen den Weg pflastern und sich unverhoffte Verbündete zeigen... 

Als Leser wird man nach ganz kurzem Umreißen der Figuren regelrecht in die Handlung katapultiert und rauscht anschließend fast atemlos durch das Buch. Eine überschaubare Anzahl an Charakteren, von denen man das Wichtigste zwischendurch erzählt bekommt, erleichtert den berauschenden Lesetrip durch die Schneelandschaft. Die Beschreibungen der Kälte und des Schneesturmes sind so gut und nachvollziehbar, dass ich fast ein wenig gefroren habe beim Lesen. 

"Und das ist das echt Üble am Winter in Cutler County - eigentlich nicht so sehr die Kälte, mehr die Tatsache, dass es sich irgendwann persönlich anfühlt." 

White Trash - Traditionen in Form von völlig verwahrlosten, ärmlichen und heruntergekommenen Verhältnissen sind genau wie durchgeknallte Charaktere und eine gehörige Portion schwarzer Humor bezeichnend für diese fast irrwitzige Geschichte. Percy mit ihrem großen Herz und ihrer selbstlosen Liebe zu dem kleinen Baby stehen kriminelle, ekelige, wankelmütige und aussichtslose Details und Charakter gegenüber, denen sie sich stellen muss. 
Trotz oder gerade wegen des ganzen Chaos entwickelt sich die Geschichte in unvorhersehbare Richtungen und hält viele Überraschungen für die sympathische Heldin Percy und für den Leser parat. 

"Portis war sein Leben lang betrunken durch die Gegend gelaufen. Er sagte, der Trick dabei wäre, zu versuchen, sich schief zu halten, dann käme eine einigermaßen aufrechte Haltung dabei raus." 

Pragmatische Dialoge, Wortwitz und Situationskomik machen aus einer ekeligen und schmutzigen Geschichte stellenweise fast einen Witz, was mir ausgezeichnet gefallen hat. Kurze Kapitel mit Cliffhangern, schnellen Ortswechseln und einer wirklich knappen, straffen Sprache überzeugen und schaffen einen originellen und für mich sehr lebendigen Roman, für den ich eine unbedingte Leseempfehlung gebe.