Rezension

Elin auf der Flucht durch ein utopisches Schweden

Sturmland - Die Kämpferin - Mats Wahl

Sturmland - Die Kämpferin
von Mats Wahl

Bewertet mit 4 Sternen

Mitte des 21. Jahrhunderts lebt die 16-jährige Elin in der schwedischen Provinz Dalarna mit Blick auf die Berge Norwegens. Nach einem Klimawandel ist das Land seit Jahren verwahrlost, mafiöse Strukturen haben sich gebildet. Ein allumfassendes Informations- und Kontrollsystem zeichnet alles auf, was in den Häusern der Menschen geschieht. Nicht jede Überwachungstechnik funktioniert noch einwandfrei - aber wer weiß das schon genau. Elins Geschwister leben jeweils in einer eigenen Welt, ihr Bruder Vagn im Reich der PC-Spiele, die jüngere Schwester Lisa leidet unter der Isolation und  sucht Trost in der Religion. Im ersten Band hat Elin zur Verteidigung ihrer Familie getötet und seitdem ihre Tochter Gerda zur Welt gebracht, deren Vater Harald ebenfalls ermordet wurde. Weil Elins Tante Karin als Gegnerin des herrschenden Systems verfolgt wird, fürchtet die Familie, Karins Verfolger könnten, ihrer Spur folgend,  auf den Hof der Familie gelangen. Elin wird verhaftet und von Gerda getrennt, um herauszufinden, ob ihre Familie Karin unterstützt. Die Sorge um Gerda macht Elin verletzbar. Schlimmer noch ist die Unsicherheit, was gerade in Schweden passiert und wem Elin trauen kann. Notgedrungen vertraut Elin Skarpheden, der sie in eine abgelegene Bergstation zu seinem Bruder Grim bringen will. Dazu muss die junge Frau mit dem wenige Monate alten Baby, das noch gestillt wird, 20 km durch die Wildnis marschieren. Elin hat in und mit der Natur gelebt und findet Skarphedens Fürsorge reichlich penetrant. Glaubt er etwa, sie könne allein keinen Fluss durchqueren? Elins Flucht durch Schwedens Wälder wird neben dem reinen Überleben mit einem Baby auch zur Auseinandersetzung mit der Welt außerhalb ihres Elternhauses. Skarpheden forscht über die radioaktive Belastung des Landes und macht deutlich, dass die Regierenden fallen müssen, weil nur mit demokratischen Strukturen und internationaler Kooperation eine Lösung der Umweltprobleme möglich ist. Auch Grim scheint als wehrhafter Einzelgänger in seiner Station für die Zukunft des Landes zu forschen. Er will autonome Roboter entwickeln, die fühlen können. Die Begegnung mit Grim verdeutlicht, wie schwer es für Elin ist, sich Informationen zu beschaffen und ein eigenes Urteil zu fällen. Was Grim ihr erzählt, ließe sich auch völlig anders interpretieren …

Elin wird im zweiten Band der Serie gegen ihren Willen zur  Kämpferin und zum Idol ihrer Generation. Ihr fällt es sichtlich schwer, die Lage im Land zu beurteilen, weil jeder mit dem Überleben beschäftigt ist und es keine neutralen oder kritischen Informationen gibt. Als Karin ihre Nichte auffordert, in die Politik zu gehen, traut Elin sich das zunächst nicht zu. Elin unterschätzt sich selbst, weil sie bisher nur von ihren Eltern unterrichtet wurde.   Die Situation im Schweden der Zukunft ist vergleichbar mit einem Neuanfang nach einem Krieg oder Bürgerkrieg, wenn dringend unbelastete Funktionsträger benötigt werden. Die Frage, ob sich eine Gesellschaft Sicherheit durch totale Kontrolle erkaufen muss und welche Arbeitsplätze es neben hoch entwickelten Robotern noch für Menschen geben wird, scheinen für eine 18-Jährige aus den Wäldern tatsächlich etwas hoch gegriffen. Doch vielleicht qualifiziert sich Elins Generation gerade dadurch, dass sie an Macht nicht interessiert ist.

Mats Wahl folgt im zweiten Band seiner utopischen Reihe für Jugendliche der Entwicklung einer 18-jährigen, die bereits Mutter ist. Mit der Entwicklung der Robotik und staatlicher Überwachung greift er zentrale Themen auf, die ich für eine Zielgruppe ab 13 Jahren jedoch ungeheuer nüchtern erzählt finde. Dass Elin stets erst durch Hinweise der älteren Generation kritisch hinterfragt, was man ihr zuvor erzählt hat, finde ich problematisch, weil die Hauptfigur eines Jugendromans eigenständig handeln und denken sollte.

Die Reihe

Sturmland. Die Reiter
Sturmland. Die Kämpferin
Sturmland. Die Gesetzgeber
Sturmland. Die Lebendigen