Rezension

Eltern und Kinder in einer erschreckend nahen Welt

Unsre verschwundenen Herzen
von Celeste Ng

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mit "Unsre verschwundenen Herzen" hat Celeste Ng einen dystopischen Roman geschrieben, der gefühlt morgen oder übermorgen stattfindet. Die Hauptfigur ist Bird, ein zwölfjähriger Junge, der mit seinem Vater in Harvard lebt. Ihr Alltag ist geprägt von einem Gesetz mit dem Akronym PACT, welches unter dem Vorwand, die amerikanische Kultur bewahren und Sicherheit gewährleisten zu wollen, die Menschen, besonders Amerikaner asiatischer Herkunft, diskriminiert und drangsaliert, Freiheiten einschränkt und bereits in den Schulen damit anfängt, indem sämtliche Bücher von dort entfernt wurden. Birds Mutter ist ein paar Jahre zuvor verschwunden, sie ist Asian American.

Man merkt dem Buch an, dass es von den gegenwärtigen culture wars um Schulen in den USA mit den Verboten von bestimmten Büchern geprägt ist, außerdem von der Zunahme an hate crimes gegen Asian Americans zu Beginn der Pandemie. Das macht "Unsre verschwundenen Herzen" so aktuell und faszinierend, dass ich es kaum aus der Hand legen wollte. Interessant finde ich außerdem, dass Kunst als Mittel des Widerstands thematisiert wird - manchmal eindrucksvoll, aber insgesamt doch begrenzt wirksam. Das Buch bleibt aber eher ein Roman um die Beziehung zwischen Eltern und Kind, als eine Dystopie mit einem Blick auf das große Ganze. Vielleicht liegt es daran, dass fast alles aus der Sicht eines zwölfjährigen Kinds erzählt wird, das keinen vollständigen Überblick darüber hat, wie PACT funktioniert. Ich finde das etwas schade und hätte mir mehr über diese Welt gewünscht, einen etwas weiteren Blick. Trotz dieser Kritik habe ich "Unsre verschwundenen Herzen" sehr gerne gelesen und empfehle es jedem, dem Dystopien und/oder Familienromane gefallen - und allen, die die bisherigen Bücher von Celeste Ng mögen.