Rezension

Elternsterben: autobiografisch.

Sterben im Sommer - Zsuzsa Bánk

Sterben im Sommer
von Zsuzsa Bánk

Bewertet mit 4 Sternen

Authentischer Text über den Schmerz, den es bereitet, die Eltern zu verlieren.

Man fragt sich, ob „Sterben im Sommer“ im eigentlichen Sinne ein Roman ist. Ist der Text nicht eher ein innerer Monolog, in dem die Autorin die Krebserkrankung ihres Vaters zu verarbeiten sucht und sein Verschwinden begreifen will? 

 

„Sterben im Sommer“ ist eine Auseinandersetzung mit dem Verschwinden der Eltern, deren Ausgeliefertsein an den Tod, eine Auseinandersetzung mit Tod und Sterben schlechthin, eine sehr persönliche Auseinandersetzung und ein sehr persönliches Erleben. Anders als viele Autoren, die eine Elternbeziehung im Nachhinein aufarbeiten, ist die von Szusza Bánk ohne Groll, erfüllt von tiefer Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre. 

 

Die ungarisch stämmige Autorin erlebt mit den in den 50ern aus Ungarn geflüchteten Eltern nach dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs viele Sommer in der alten Heimat der Eltern. Sie lernt die Großeltern kennen. Diese alte Heimat ist irgendwie auch die ihre. Dennoch ist sie bereits weiter entfernt als ihr lieb ist, die Fachbegriffe für die spezifische Krankheit sind in ihrem Ungarisch nicht vorhanden. Sie muss sie im Gespräch mit den Verwandten suchen. Und mit dem Vater verliert die Familie auch den Familiensommersitz, an dem Vater, Mutter, Kind(er) und Enkel beieinander waren. Abschied auf vielen Ebenen steht an. Davon schreibt die Autorin. Sie ist ganz nah und ungeschminkt und dennoch in all ihrem Schmerz nie peinlich. 

 

Als der Vater während des letzten Sommerurlaubs in Ungarn so krank wird, dass ein Krankenhausaufenthalt nicht mehr aufschiebbar ist – und es der Familie der Autorin klar wird, dass der Abschied unabänderlich bevorsteht, versuchen alle, noch so viele Stunden des Beieinanderseins herauszuholen wie nur möglich. 

 

Szusza Bánk hat mit „Sterben im Sommer“ einen sehr persönlichen Text, sogar einen schönen Text geschrieben, der berührt und mitnimmt und eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt, weil alle Menschen ihre Eltern an den Tod verlieren werden oder bereits verloren haben, sofern kein Unglück geschieht, das die natürlichen Verhältnisse umkehrt. 

 

Man hätte allerdings ein wenig mehr in die Familiengeschichte eintauchen wollen, das hätte den Text mehr zu einem „richtigen“ Roman gemacht. 

 

Fazit: Dieser Text wäre noch besser geworden, wenn man mehr Hintergründe geliefert bekommen hätte, einen Hauch weniger Trauer und ein klein bisschen Nähkästchen. Wie ist es den Eltern ergangen im „Ausland“. Wie weit sind sie heimisch geworden, welche Rolle hat die ungarische Herkunft für die Autorin selber gespielt? So ist dieser der Text eine Spur zu gefühllastig für fünf Sterne. Aber vier sind allemal drin. 

 

Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Verlag: S.Fischer, 2020