Rezension

Emanzipation Fehlanzeige

Lügen über meine Mutter -

Lügen über meine Mutter
von Daniela Dröscher

Bewertet mit 3 Sternen

Aus der Perspektive der im Verlauf des Romans 6 bis 10jährigen Tochter Ela wird das Leben einer Familie in den Jahren 1986 bis 1990 geschildert. Im Mittelpunkt steht die Mutter und vordergründig ihre Gewichtsprobleme. Sie macht alle möglichen Diäten bis hin zu einer Implantation eines "Magenballons", bleibt aber übergewichtig. Der Vater der Ich-erzählenden Tochter ist gutaussehend und sportlich. Die Mutter, die ein schönes Gesicht hat, genügt den Schönheitsidealen des Vaters nicht, es kommt deswegen immer wieder zum Streit.
Das Cover finde ich ansprechend farbenfroh, auch wenn ich nicht weiß, was es darstellen soll. Der Schreibstilgefällt mir, insbesondere über den pfälzischen Dialekt habe ich mich amüsiert.
Thema des Romans ist vordergründig das Übergewicht der Mutter und die Überbewertung von sogenannten Schönheitsideal in der Gesellschaft. Das eigentliche Problem scheint aber die unglückliche Ehe der Eltern der Ich-Erzählerin zu sein. Der Roman hat wohl autobiographische Züge und wird aus der Sicht eines Kindes erzählt, eingestreut sind immer wieder Betrachtungen der Erwachsenen, die das Erlebte bzw. das Verhalten der Mutter reflektieren.
Dennoch ist es für mich unbegreiflich, dass sich das so in den 80iger Jahren abgespielt hat. Die Mutter verhält sich, als lebe sie in den 50iger Jahren, wo Frauen auch rechtlich noch völlig abhängig von ihren Ehemännern waren. Und daß, obwohl sie spätestens nach einer Erbschaft finanziell unabhängig ist. Auch scheint sie im Vergleich zu ihrem Mann die Stärkere und Lebenstüchtigere zu sein. Daß sie sich dennoch so unterjochen läßt, ist mir unbegreiflich. Liebt sie diesen Mann so sehr, daß sie sich nicht befreien kann oder sind es gesellschaftliche Konventionen ? Nimmt sie die Demütigungen für ihre Kinder auf sich ? Ich kann das nicht nachvollziehen, beim Lesen bereitet mir ihr Verhalten und diese Ehe regelrecht Schmerzen !
Mir hat es nicht gefallen. Es war zwar gut zu lesen, was vielleicht auch daran lag, daß ich bis zuletzt gehofft habe, daß es ihr gelingt, sich zu emanzipieren, denn sie erscheint ja charakterlich stark. Aber die Familie schafft es irgendwie nicht, ihr Glück zu finden. Hier haben zwei geheiratet, die einfach nicht zusammen passen, liegt es an der Gesellschaft oder an den Lügen oder an beidem ? Wer lügt da, über wen und warum ? Belügt sich die Mutter oder der in Wahrheit lebensuntüchtige Vater ? Oder beide sich über ihre Ehe ? Geht es um psychische Gewalt? Ein alles in allem furchtbares Porträt einer unglücklichen Familie, das ich mit drei Sternen bewerte.