Rezension

Emanzipierter Roman und tolle, starke Frauenfiguren

Wie ein Leuchten in tiefer Nacht - Jojo Moyes

Wie ein Leuchten in tiefer Nacht
von Jojo Moyes

Bewertet mit 5 Sternen

 

Zunächst einmal muss ich sagen: schade, dass hier vom Verlag an der „Kitsch-Schiene“ festgehalten wurde. Seit „Ein ganzes halbes Jahr“ hat Jojo Moyes den Herzschmerz-Stempel drauf und leider wird bei diesem Buch lieber auf Bewährt-Vertrautes gesetzt statt auch nur ein kleines Wagnis einzugehen. Wenn die Autorin sich traut, neue Wege zu gehen, warum geht der Verlag diese nicht mit und presst das Buch statt dessen mit Cover und Titel wieder in die Kitsch-Schublade? Aber gut... die Mechanismen des Marketings haben wohl ihre eigenen Gesetze.

                 

Jetzt aber ans „Eingemachte“: Ich finde dieses Buch ist das beste, das Jojo Moyes je geschrieben hat. Es erzählt mitreißend und dennoch einfühlsam von starken Frauen und man merkt dem Buch an, dass viel Leidenschaft der Autorin zu dem aufgegriffenen Thema darin steckt.

 

Jojo Moyes verwebt hier historische Fakten über die sogenannten „Satteltaschen-Bibliothekarinnen“ und spannende Lebensläufe von mehreren Frauen zu einem großartigen Roman. Da ist Margery, die schon immer unangepasst war und die es schwer hat, sich im ländlichen Kentucky der 1930er Jahre mit ihrer Lebensweise zu behaupten. Da ist die junge Engländerin Alice, die nach einer überstürzten Heirat ihrem Mann nach Kentucky folgt und vor der Vereinsamung flieht, indem sie sich den reitenden Bibliothekarinnen anschließt. Da ist die Farbige Sophia, die gut gebildet, aber unter Weißen kaum akzeptiert ist. Und da sind weitere Frauen, die alle nach und nach ihr angeblich gottgegebenes Dasein in Frage stellen und selbstständig werden – im Denken und im Handeln.

 

Auch wenn Alice laut Klappentext die Hauptfigur ist, so ist das im Roman nicht immer präsent. Auch Margery nimmt eine sehr große Rolle ein und das zentrale Thema ist immer die Bücherei und die Veränderungen, die die Frauen mit ihrem beschwerlichen Beruf anstoßen. Das macht das Buch zu soviel mehr als einem „Herzschmerz-Roman“. Es feiert die Selbstbestimmung von Frauen in einer Zeit, in der sie in vielen Bereichen eingeengt wurden. Und es feiert die Freundschaft – und diese Themen nehmen viel mehr Raum ein als die – natürlich auch vorhandene – Liebesgeschichte. Aber ganz ehrlich: ich habe nichts vermisst. Der Roman ist genau richtig, so wie er ist.

Die bisher kaum bekannte Geschichte der „Packhorse Library“ erhält endlich eine Stimme und die Frauen, die den schweren Job auf sich genommen haben, um anderen Gutes zu tun und Bildung zu vermitteln, erhalten endlich die Anerkennung, die sie seit fast 100 Jahren verdienen. Ich kann nur meinen Hut ziehen vor dem, was diese Frauen geleistet haben – aber auch vor der berührenden Geschichte, die Jojo Moyes daraus gemacht hat. 

 

Ein wunderbarer Roman, in dem man die Weite Kentuckys und die Verbundenheit der Autorin zu ihren Figuren in jeder Zeile spürt. Und ich lass mich auf die Wette ein, dass eine Verfilmung wohl nicht lange auf sich warten lassen wird – denn schon beim Lesen sieht man die Geschichte quasi im Kinoformat vor sich :-)

 

„Sie liebte diese Gegend. Sie liebte die Berge und die Menschen und den unendlichen Himmel. Sie liebte das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, sich jeden Tag herauszufordern und das Leben der Menschen durch Worte zu verändern. Sie hatte sich jeden blauen Fleck und jede Blase am Fuß verdient. Sie hatte eine neue Alice aus der Gestalt der früheren geschaffen...“