Rezension

Émiles erste große Liebe - eine wunderbare Geschichte

Der Sommer mit Pauline - Ivan Calbérac

Der Sommer mit Pauline
von Ivan Calbérac

Bewertet mit 4.5 Sternen

Émile, 15 Jahre, ist bis über beide Ohren verliebt. Er kann sein Glück kaum fassen, als seine Angebetete ihn einlädt, sie in Venedig zu besuchen, wo sie in einem Jugendorchester einen Auftritt hat. Doch zu seinem Entsetzen entschließt sich der Rest seiner Familie, die Gelegenheit zu nutzen und auf diese Weise gemeinsam einen Kurzurlaub in Venedig zu verbringen.
'Der Frühling mit Pauline' hätte als Titel deutlich besser gepasst als 'Der Sommer ...', denn die Geschichte spielt vom 12. März bis zum 30. April. Es sind Tagebucheinträge von Émile, der auf diese Weise versucht in Worte zu fassen, was ihn zur Zeit so beschäftigt und verwirrt: seine Gefühle für Pauline. Da er Klassenbester und ein Matheass ist (obwohl ihm nach eigener Auskunft Worte mehr liegen), sind seine Berichte entsprechend gut gelungen. Die Beschreibungen seiner Verzweiflung, wenn seine chaotische Familie sich mal wieder viel zu sehr in sein Leben einmischt, sind so herrlich amüsant übertrieben, dass das Mitgefühl für den jungen Mann schnell zugunsten der Heiterkeit verschwindet. "Mir war so schwer ums Herz, dass ich vor dem Einschlafen wieder zu heulen anfing. Ich wollte an diese Leidstelle beim Katastrophenschutz schreiben, damit sie sich um mein Elend kümmert, aber das ist bestimmt auch so eine Sache, die ich noch nicht darf. ... Das Bett nässe ich nicht mehr ein, aus dem Alter bin ich raus, nur noch das Kopfkissen. Keine Ahnung, ob das besser ist, immerhin trocknen Tränen schneller und stinken nicht, und man muss nicht groß Wäsche machen am nächsten Morgen."
Doch nicht nur seine Verzweiflungsausbrüche sind lesenswert, sondern auch seine fast schon philosophischen Überlegungen. Wie wohl beinahe alle Jugendlichen in diesem Alter stellt er sich Fragen und macht sich Gedanken zum Sinn und Unsinn des Lebens, die so wunderbar geschrieben sind, dass man sie aufschreiben und an die Wand hängen könnte: "Es müsste wirklich einen Minister fürs Innere geben, für innerliche Leere, Gefühle und Hemmungen überhaupt, der hätte alle Hände voll zu tun. Aber der normale Innenminister kümmert sich nur ums Außen. Am liebsten bringt er Leute aus seinem Land heraus, jeden in seine Heimat, auch wenn es die nicht mehr gibt. Aber dem Gesundheitsminister geht es ja auch eher um die Kranken. Diese Titel sollen den Feind verwirren, sagt mein Vater, und der Feind sind anscheinend wir."
Ein durchweg schönes und humorvolles Buch für Jugendliche und Erwachsene über die Zeit der ersten Liebe, die trotz aller Freuden auch ziemlich anstrengend sein kann.