Rezension

Emmerichs zweiter Fall

Die rote Frau - Alex Beer

Die rote Frau
von Alex Beer

Bewertet mit 4 Sternen

Wien nach dem 1. Weltkrieg. Das Stadtbild wird von Hunger, Elend und Kriegsveteranen geprägt. Die Kriminalbeamten von Leib und Leben sind mit dem unfassbaren Mord am geschätzten Stadtrat Fürst betraut, währen sich Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent mit Schreibarbeit quälen. Allerdings entdecken sie einen bisher unbekannten Zusammenhang und fangen mit eigenen Ermittlungen an.

"Die rote Frau" ist der zweite Teil der historischen Krimireihe um Kriminalinspektor August Emmerich, der in der Donaumetropole nach dem 1. Weltkrieg angesiedelt ist.

Polizeiagent Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter sind vom Regen in der Traufe gelandet. Zwar dürfen sie nun endlich in der begehrten Abteilung "Leib und Leben" ermitteln, sie haben sich darunter allerdings keine Schreibtischarbeit vorgestellt. 

Den Einsatz als Tippse im Hintergrund haben sie Emmerichs Starrsinn zu verdanken. Denn dieser legt sich gern mit Vorgesetzten an und hat es sich zur Regel gemacht, seine Kompetenzen zu überschreiten, was von höheren Beamten natürlich nicht gerne gesehen wird.  

In seiner Sturheit ist Emmerich aber auch genial, weil genau dieser Wesenszug meistens sehr hilfreich bei Ermittlungen ist. Außerdem ist er blitzgescheit, verfügt über eine umfassende Kombinationsgabe und setzt seinen Hausverstand ein.

Im Fall um die rote Frau legt sich Emmerich nicht nur mit Vorgesetzten sondern gleich mit dem Umfeld von Stadtrat Fürst an, wo er prekären Geheimnissen auf der Spur zu sein scheint.

Die Krimihandlung ist solide, interessant und entführt in die problematischen Tage dieser Zeit. Mordopfer Fürst ist ein Wohltäter gewesen und hat sich allseits großer Beliebtheit erfreut. Deshalb kann sich die Polizei das Mordmotiv nicht erklären. War es die Verzweiflungstat eines armseligen Kriegsinvaliden? Oder steht sogar politische Motivation dahinter?

So steckt Emmerich bei seinen Ermittlungen die Rahmenbedingungen des Mordhergangs ab, kommt zu vielen Theorien und entkräftet sie auch wieder. Mir persönlich waren Tathergang, Überführung und Motivation etwas zu weit hergeholt, was aber nur ein kleiner Kritikpunkt meinerseits ist. Denn die Ermittlungsarbeit selbst ist gut und spannend zu lesen, allein, weil Alex Beer mit dem historischen Setting besticht.

Mit August Emmerich verliert man sich im Wien der 1920er-Jahre. Man kann kaum fassen, in welchem Elend die einst strahlende Donaumetropole erstickt. Die Straßen sind von Entstellten und Verstümmelten, Verhungernden und Verzweifelten geprägt. Die Menschen leben unter schwierigsten Bedingungen und vegetieren meist eher dahin.

Zudem steuert die Autorin gut bekannte Ecken, Straßen und Gebäude an, wodurch das Wiener Stadtbild absolut authentisch wirkt. 

Meiner Meinung nach hat Alex Beer damit eine exzellente Melange aus Ermittlungstätigkeit, historischem Rahmen und Kriminalhandlung kreiert, die den Leser in das alte Wien entführt.

Unbedingt erwähnen möchte ich noch die Mundartphrasen, die quer durch die gesamte Handlung anzufinden sind. Nach wie vor wird genauso gesprochen und ich musste oft schmunzeln, weil mancher Dialog dadurch noch glaubhafter wirkt.

Meiner Ansicht nach hat Alex Beer ihre Reihe spannend, historisch interessant und gekonnt fortgesetzt. Ich freue mich, wenn es mit August Emmerich wieder etwas zu ermitteln gibt.