Rezension

Emotional bewegend!

Die Ermittlung - Peter Weiss

Die Ermittlung
von Peter Weiss

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Oratorium beschäftigt sich mit den Auschwitz-Prozessen von 1963-1966 und dient somit der literarischen Vergangenheitsbewältigung. Es ist eine Berichterstattung aus einer kontrollierten Auswahl, wodurch es parteilich wird. Die Täter bekommen hier keinen Schutz, sondern werden hier auf schonungslose Weise dargestellt. Weiss war selbst teils bei den Prozessen zugegen und hat nur sprachlich Veränderungen vorgenommen. Der Inhalt blieb gleich, womit das Ganze auf wahren Begebenheiten beruht. Kurz: Es ist ein Dokumentarisches Theater.

In dem ganzen Theater fehlt die Interpunktion, weil "nur das Wort zählt", was auch noch einmal durch streng strukturierte Parataxe deutlich wird. Es ist verkürzt und emotionslos geschrieben, weil Ausschmückungen und Verniedlichungen fehlen. Durch Enjambements und Anaphern bekommt es allerdings einen gewissen Rhtyhmus, welcher allerdings als tonlos und dadurch als bedrückend anzusehen ist.

Mich selbst hat dieses Stück emotional zutiefst bewegt, da die Angeklagten sich als Unschuldslämmer darstellen und die ganze Sache durch Verharmlosungen abstreiten und damit auch indirekt über die Zeugen herziehen. Sie verspotten diese sogar, indem sie über sie lachen und nehmen das ganze Geschehen nicht sonderlich ernst. Deutlich erkennbar ist, wie tief verankert die Ideologie bei ihnen doch ist.

Gerade weil immer nur so kurze intensive Ausschnitte gezeigt werden, ist es besonders belastend. Da jede Handlung aber nach dem Verfremdungseffekt von Brecht (zumindest ist es durch diesen besonders geprägt) plötzlich unterbrochen wird, gewinnt der Zuschauer oder in diesem Fall der Leser eine gewisse Distanz zu dem Stück und wird nicht komplett von diesem überwältigt. Dennoch lässt es einen selbst nicht kalt und bewegt einen - auch gedanklich! Man selbst verarbeitet den ganzen Prozess viel intensiver, weil man die Rolle eines Beobachters einnimmt und dadurch die Zusammenhänge viel besser versteht.

Insgesamt habe ich das Buch sehr gerne gelesen, weil die Darstellung und die stilistische Art und Weise etwas so Besonderes sind. Dieses Werk kann keinen Menschen kalt lassen und regt zur Selbstreflexion an. Wie Weiss es wollte, wird dieses Stück zu einem Instrument der politischen Meinungsbildung. Aber das im guten Sinn: denn es fördert die Demokratie und die Toleranz! Und was kann ein Werk Besseres erreichen?