Rezension

Emotional, erschütternd und absolut lesenswert

Über alle Grenzen
von Hera Lind

Bewertet mit 5 Sternen

Familie Alexander lebt im Chiemgau in Bayern, als der Vater ein Angebot vom Erfurter Zoo erhält, zukünftig in Erfurt in Thüringen als Zoodirektor zu arbeiten.  hat ein großes Abenteuer vors ich - Ende der 1950er Jahre bekommt der Vater ein großartiges Angebot, denn er soll Direktor des Erfurters Zoos werden, die Mauer ist noch nicht gebaut und die Familie macht sich auf den Weg ohne Wiederkehr, in die DDR…mit Konsequenzen, die die Familie Alexander zu diesem Zeitpunkt weder vorhersehen noch irgendwie erahnen kann,  mit weitreichenden Auswirkungen bis in die späten 80iger Jahre….

Hera Lind beschreibt die Lebensgeschichte einer Familie in zwei verschiedenen Zeitsträngen, eng miteinander verwoben und von Beginn an so spannend geschrieben, dass es mir schwer fiel, den Roman aus der Hand zu lesen, die Zeitstränge fügen sich durch die Wiederholung des letzten Satzes aus der Vergangenheit in dem ersten Satz der Gegenwart harmonisch zusammen.

Es ist ein sehr erschütternder, emotionaler und zugleich auch sachlicher Roman, der die Bespitzelung, Unterdrückung und die totale Überwachung des Stasiregimes der ehemaligen DDR offen und schonungslos schildert und der billigend und von höchster Stelle abgesegnet, in Kauf nimmt, Menschen, Familien zu brechen. Unter welcher Angst und mit welchem Terror auch die Familie Alexander litt, ist unvorstellbar, Familien wurden manipuliert, bis ins Kleinste überwacht, Telefone und Wohnungen verwanzt, ein individuelles Leben mit dem Schutz der Privatsphäre  wurde konsequent unterbunden.

Mobbing von Kindern, Verstoß gegen die Menschenrechte und Menschenwürde, Folterungen im Gefängnis, Psychoterror,  die Stasi hat nichts, aber auch gar nichts ausgelassen, um die Familie Alexander zu brechen und zu Grunde zu richten, was für ein perfides System. Doch und gerade deshalb bekommt  der Zusammenhalt von Menschen in diesem Regime  vor diesem Hintergrund eine ganz besondere Bedeutung, sich nicht brechen zulassen, in der Gemeinsamkeit stark zu sein, zueinander zu halten und allen Schikanen zum Trotz einen Ausreiseantrag zu stellen erfordert Mut und Überlebenswillen.

Dieser Roman ist wegen der zugrundeliegenden Tatsachenberichte in meinen Augen ein Zeitzeugnis der besonderen Art und ist ein Roman, der gerade jetzt, fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nochmal sehr eindringlich daran erinnert, dass wir nicht vergessen sollten, welchen Repressalien und Terror „Andersdenkende“  in der DDR damals ausgesetzt waren, die nicht totgeschwiegen werden dürfen.

Es ist ein Roman, der bewegt und erschütternd ist und dessen Ende mich sowohl traurig als auch glücklich zurückgelassen hat, ein Roman der lesenswert ist und der nachwirkt.