Rezension

emotional gefesselt

Wo immer du bist - Cylin Busby

Wo immer du bist
von Cylin Busby

Bewertet mit 4 Sternen

MEINUNG

Das wunderschöne Cover, der geheimnisvolle Klappentext und der richtig gut dazu passende Titel versprechen meiner Meinung nach wirklich viel und meine Erwartungen waren anfangs ziemlich hoch. Das Buch sieht von außen schon nicht wie ein Actionthriller oder eine Komödie aus. Man kann sich schon vor dem Lesen denken, dass hier eine etwas ernstere Geschichte erzählt wird, die man möglichst richtig auf sich wirken lassen sollte. Denn dieses Buch ist leise, klein, wahnsinnig gefühlvoll und auf keinen Fall superleichte Kost für zwischendurch.

Das Thema mit den Komapatienten und was sie während ihrer "Abwesenheit" alles erleben, hat mich ja schon immer fasziniert und diesmal durfte ich nach "Blind Walk" gleich noch ein Buch lesen, das sich mit dieser Problematik auseinandersetzt. Busby's Überlegungen, ob die Patienten während des Komas in eine andere Welt eintauchen und wie sie sie in die Geschichte verpackt hat, war etwas Neues und auch ein wenig Mystisches, was dem Buch trotzdem nichts Unrealistisches gab.

Die ganze Situation, in die der Leser anfangs "hineingeschmissen" wird ist sehr seltsam und bei mir tat sich gleich die Frage auf, ob denn dieses Buch nicht eine einzige Durststrecke wird. Denn eine Liebesgeschichte mit zwei Charakteren, von denen der eine nicht mal sprechen, geschweige denn sich bewegen kann klingt nicht so fesselnd und mitreißend. Doch Olivia und West finden Mittel und Wege, wie sie miteinander kommunizieren können, was teilweise sogar richtig amüsant war.

Busby schreibt in der Ich-Perspektive, aus der Sicht von West. Dadurch konnte sie dem Leser seine aufwühlenden Gefühle, Gedanken und Emotionen besonders gut darstellen. Deshalb konnte ich mich auch prima in ihn hineinversetzen und mich mit ihm identifizieren, selbst wenn ich noch nicht in so einer Situation war. Auch die eher trostlose Umgebung beschreibt die Autorin lebendig und atmosphärisch. Die Dialoge beziehungsweise eher größtenteils Monologe verfasst sie witzig und humorvoll um die eigentlich trostlose, unglückliche Situation der beiden Jugendlichen etwas aufzulockern.

West ist ein wirklich starker Charakter - das sieht man daran, dass er kämpft und immer versucht mit Olivia in Kontakt zu treten, auch wenn er sie selbst nicht ansprechen kann. Olivia ist dabei wie sein Fels in der Brandung. Sie ist für ihn da - spricht mit ihm, wenn niemand anderes außer die Krankenschwestern es tun - und verliert dabei nicht ihren Mut. Ihre Lebensfreude färbt buchstäblich auf West ab, der durch seinen Unfall ein völlig neuer Mensch geworden ist. Außerdem ist Olivia witzig, energisch und energiegeladen - genau die Person, die West unbedingt brauchte. Die beiden passten zusammen wie die Faust aufs Auge.

Wie viele andere Bücher hat auch dieses eine Wendung, die ich mir so während des Lesens nie erträumt hätte. Alles wird auf einmal umgekrempelt und einige der offenen Fragen werden gelöst. Alles, was man im ersten Teil dachte, wäre normal und wirklich passiert, wird nun in etwas Paranormales gezogen, für das keiner im echten Leben einen Beweis hat.

Leider ging mir das Ende einfach zu schnell. West hat die Geschehnisse einfach so hingenommen, nachdem er sie erfahren hatte. Diese Auflösung war mir viel zu einfach und gerade bei so einem tiefgründigem Buch hätte ich mir ein einfallsreicheres, tiefblickenderes Finale gewünscht. 

 

FAZIT

Cylin Busby hat mich emotional an ihren Roman gefesselt - hat mich mit den Figuren mitleiden lassen und mich in ihre Schicksale hineingezogen. Die Autorin zeigt auf, wie nah Glück und Unglück in der Realität nebeneinander liegen können und wie einfach man sich doch in eine perfekte Traumwelt träumen kann, sich dann aber doch der Wahrheit stellen muss. Ich würde diesen Roman nicht als paranormales Jugendbuch bezeichnen, auch wenn ein paar Elemente aus dieser Kategorie mit einfließen. Bis auf das Ende war es ein perfektes Buch, das mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird.