Rezension

Emotional, überraschend, äußerst gelungen

Die lange Reise - Annelie Wendeberg

Die lange Reise
von Annelie Wendeberg

Klappentext:
Sherlock Holmes und Anna Kronberg auf der Flucht 1891. Annas schlimmster Alptraum ist wahr geworden: Sie ist schwanger von ihrem Erzfeind Moriarty und wird auf Schritt und Tritt von gedungenen Mördern verfolgt. Welche Pläne verfolgt Moriarty wirklich mit seinen Biowaffen – sind sie für künftige europäische Kriege gedacht? Schritt für Schritt entwirren Anna Kronberg und Sherlock Holmes das Spinnennetz aus Verbrechen, Spionage und Bioterrorismus, das sich über den Globus erstreckt. Eine viktorianische Tour de Force mit vielen überraschenden Wendungen.

Die Autorin:
Annelie Wendeberg ist eigentlich Umweltmikrobiologin (UFZ, Leipzig; Adjunct Professorin, Uppsala). Doch eines schönen Wintermorgens schlug sie die Augen auf und dachte sich: »Ich schreib mal was.« Seither versucht sie Forschung – ihre Leidenschaft – leicht verständlich und spannend in Blogartikeln zu vermitteln. Sie schreibt über alles Mögliche, was irgendwie mit Wissenschaftlern, Biologie, Umwelt, Ökologie und vor allem Mikrobiologie zu tun hat. Des Nachts bringt Annelie Leute um. Auf dem Papier (ach Quatsch, Bildschirm!). Eigenartigerweise klappt das auf Englisch am besten. Keiner weiß, warum. Sie publizierte ihre Bücher selbst, und das Indie-Autorenleben stellte sich als unerwartet wilder Ritt heraus. Sie lernte die Tricks und Fallen des Online-Marketings kennen, infiltrierte Leser-Communities, stolperte über Trolle und hatte hitzige Konversationen mit Piraten, die ihr zeigten, wie man E-Books ordentlich formatiert. Nachdem ihr erstes Buch Zehntausende Leser in den USA gefunden hatte, schickte Annelie zaghaft ein Exemplar an den KiWi-Verlag. Seitdem ist sie eine glückliche Indie-Autorin mit Verlagsanschluss.

Meine Meinung:
Da dies der dritte Band der Anna Kronberg-Reihe ist, enthält die Rezension Spoiler zu den vorherigen Teilen.
Wie man noch weiß, ist Anna schwanger - und das ausgerechnet von ihrem Erzfeind Moriarty, der das Zeitliche gesegnet hat. Er hatte sie entführt, erpresst, verführt - Letzteres tat aber Anna nur, um zu überleben und sich zu rächen. Sie ist und bleibt ein kluge und kämpferische Frau, die sich die Situation, und sei diese noch so aussichtslos und weit entfernt von jeglichem Optimismus, zu eigen macht.
Nun ist sie auf der Flucht vor Moran und seinen Kumpanen, und versucht mit all ihrer Kraft, aufzudecken, was Moriarty mit ihren Forschungen vorhatte. Dabei steht ihr Sherlock Holmes präsent zur Seite, der dieses Mal wieder, so wie im ersten Band, eine große Rolle einnimmt.
Es ist faszinierend, wie die beiden eine wahrliche Tour de Force auf sich nehmen, Anna schwanger mit einem Kind, das sie nicht will, und Sherlock, der ihr eine Stütze und zugleich guter Freund ist. Oder ist da mehr? Eine gewisse Anziehung war immer schon vorhanden, das kann man nicht leugnen. Und Anna kann ihm das Wasser reichen, sie ist sozusagen eine Irene Adler, die aber die "Waffen der Frau" nicht auf der Ebene der Indoktrination anwenden muss, sondern durch Klugheit und Raffinesse besticht.
"Der lange Weg" ist nicht nur der, den sie gemeinsam mit Sherlock beschreitet, um endlich in Ruhe leben zu können, sondern sie begibt sich auch auf eine innere Reise, getrieben von den Gedanken um das kleine Etwas, das unter ihrem Herzen heranwächst. Wird sie das Kind behalten? Kann sie gar Liebe für das Baby empfinden?
Dies waren für mich die ultimativen Fragen, die sich durch das Buch zogen, in dem es Stellen gab, die immer wieder zeigten, wie sehr sie mit sich haderte, wie sehr sie aber auch innerlich wusste, was sie tun würde - ohne es sichtlich bereits zu merken.

Das Finale war sehr überraschend und so emotional, dass ich heftig schlucken musste. Annelie Wendeberg ist es gelungen, geschickte Wendungen einzustreuen, die die Handlung in ganz andere Richtungen lenken.
Mitunter, besonders zum Ende hin, ist es ein eher ruhiger Teil, denn wenn auch Einiges passiert, geht es hier mehr darum, wie Anna zu sich selbst findet. Auch ihre Beziehung zu Sherlock ist wieder ein großes Thema, und die beiden haben großartige Dialoge, die einmal mehr zeigen, wie sie sich ebenbürtig sind, und wie sehr das emotionale Band zwischen ihnen fester und fester wird. Sie verstehen sich blind, können sich aufeinander verlassen.
Mir gefiel besonders, dass hier ganz viel Gefühl im Spiel war, auf allen Ebenen, und dass diese Empfindungen auf den Leser übertragen werden. So ging mir es jedenfalls.

Die Wortkombination dieses Bandes ist eindeutig: Unterwäsche-Hornissenbombe. Und wer Anna kennt, weiß mit Sicherheit, dass diese "Erfindung" etwas sehr Schmerzhaftes ist.

Somit bleibt mir zu sagen, dass ich den dritten (und ich denke auch, finalen) Teil als würdigen Abschluss einer Reihe empfinde, die mitreißend, einfallsreich und mit dem Kolorit der damaligen Zeit gekonnt erzählt wurde.
Egal, ob Anna sie selbst ist oder in Verkleidung als Anton Kronberg auftritt, diese Frau steht ihren Mann.

5 Sterne.