Rezension

Emotional überwältigend und verstörend

Niemand liebt November - Antonia Michaelis

Niemand liebt November
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:
Kurz vor ihrem sechsten Geburtstag verschwinden die Eltern von Amber Lark, genannt November. Das Mädchen wird von Kinderheim zu Kinderheim, von Pflegefamilie zu betreuter WG gereicht. Als sie elf Jahre später eine Spur von ihrem Vater findet, reißt sie kurzerhand aus, um ihn zu suchen. Die Spur führt in eine Kneipe, das „Bottled“, durch dessen Tür Wolf Lark damals hineingegangen ist, aber nicht mehr herausgekommen. Amber geht der Spur ihres Vaters nach, doch immer ist er schon wieder weg. Was das Mädchen auf seiner Suche erlebt, ist absolut haarsträubend und schockierend.

Meine Meinung:
Antonia Michaelis schreibt unverwechselbar. Man muss ihren Stil mögen oder zumindest bereit sein, sich darauf einzulassen. Sonst wird man vielleicht enttäuscht sein. Ich persönlich liebe ihre Bücher. So ist auch „Niemand liebt November“ ein absolutes Highlight für mich. Wie gewohnt spielt Michaelis mit den Realitäten. Man kann lange Zeit nicht zwischen Wirklichkeit und Fantasie unterscheiden. Gibt es bestimmte Personen wirklich oder sind sie nur Einbildung der Protagonisten? Passiert das alles wirklich oder ist es ein Traum?

Michaelis’ Romane sind oft verstörend, aber „Niemand liebt November“ ist sicher der härteste. Hier passieren Dinge, die man nicht lesen will, wo man versucht ist, ein paar Seiten zu überblättern, um das Böse nicht an sich heranzulassen. Insofern kann man auch über die Altersempfehlung ab 16 Jahren geteilter Meinung sein. Ich würde sagen, es kommt darauf an … Es gibt sicher 16-Jährige, die damit klarkommen, andere könnten Albträume bekommen.

Hauptsächlich wird die Geschichte aus Ambers Perspektive erzählt. Amber ist ein verlorenes Mädchen, verlorener geht es gar nicht. Allein die fröhlichen Erinnerungen an ihre Eltern halten sie bei der Stange. So ist es absolut nachvollziehbar, dass es ihr größter Wunsch ist, die beiden wieder zu finden. Dafür nimmt sie einiges auf sich, mehr als ihr guttut. Das tut einem als Leser weh, das macht einen wütend, umso mehr, als man ganz dicht an der Protagonistin dran ist. Sie macht so vieles falsch, weiß nicht, wem sie vertrauen soll und wem besser nicht. Dabei schafft es die Autorin, den Leser so an Amber zu binden, dass man jeden ihrer Schritte nachvollziehen kann und mit dem Mädchen mitleidet. Das Buch ist emotional wirklich keine leichte Kost.

Wie üblich hat mich auch bei diesem Buch der wunderbar bildreiche, poetische Schreibstil von Antonia Michaelis begeistert. Die Sprache ist einfach zum Niederknien, wie ich es von dieser Autorin gewohnt bin. Die Sätze sind so fein gewoben, dass sie einem auf der Zunge zergehen.
„Der Regen ließ nach. Die Nacht wurde lautlos älter.“ (S. 13)
„Der Tag draußen war der kälteste des ganzen Winters. Die Sonne schien, und an den Vorstadtbäumen hing der Reif in Feenmustern.“ (S. 321)
Einfach schön!

Fazit:
Dieses Buch hat mich emotional überwältigt, zwischen den Realitäten herumgewirbelt und mit einem grandiosen Schluss wieder ins Leben geholt. Für Fans von Antonia Michaelis und solche, die bereit sind, es zu werden.