Rezension

emotional und liebevoll

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

Bewertet mit 5 Sternen

Emotionale Briefe von Schwestern. Worte die verletzt haben gehen über in Stille. Schmerz, der die Seele auffrisst.

April und Phoebe sind Schwestern. April kommt in eine Klinik für Magersüchtige. Sie hat schon früh in ihrer Kindheit aufgehört zu Essen. Und mit ihren Eltern redet sie auch nicht mehr.

Phoebe ist ein aufgewecktes cleveres Mädchen mit vielen „Worten“, Fragen und Feststellungen. Im ersten Teil des Buches geht es um Briefe, die Phoebe an April schreibt. Phoebe beschreibt April in ihren Briefen ihren Tagesablauf. Der Vater hat durch seine Arbeit wenig Zeit und verkriecht sich hinter seiner Zeitung. Die Mutter geht nicht auf Fragen und Ängste von Phoebe ein. Unverständlich erscheint mir, dass die Mutter als „Sozialpädagogin“ mit Pflegekindern arbeitet und so gar kein Einfühlungsvermögen für ihre eigenen Kinder hat. Phoebe bekommt keine Erklärungen zu Aprils Krankheit und darf April auch nicht besuchen. Sie glaubt, dass April eine Freundin namens „Ana“ hat, die zu viel Einfluss auf sie hat.  Leider bekommt Phoebe nie eine Antwort von April auf ihre Briefe. Einzig bei Jerry, dem Vater ihrer Freundin kann sie ihre „Wörter“ loswerden und erzählt ihm von den Briefen an April und ihren Ängsten, dass ihre Briefe nicht ankommen.
 
Im zweiten Teil des Buches lesen wir dann die Briefe von April an Phoebe. In diesen Briefen drückt sie aus, wie schwierig das Verhältnis zu ihren Eltern war, der Auslöser des Ganzen und den Verlauf. Die Eltern, waren von den vielen „zu erwachsenen Worten“ von April schon früh überfordert. Die Mutter hatte sich ein „normales Kind“ gewünscht und nicht ein Kind, das einen Aufsatz über 10 Seiten für ein belangloses Thema schreibt. Den Hinweis der Lehrerin auf ein „begabtes Kind“ wollte sie nicht hören und ist nicht darauf eingegangen. Leider gab es auch viel Streit zwischen den Eltern und April war viel auf sich allein gestellt. Missbrauchtes Vertrauen, zu wenig Elternliebe und kein Einfühlungsvermögen der Eltern. So begann eine unheilvolle Entwicklung.
Der Schmerz im Magen war besser zu ertragen als der Schmerz in der Seele. April verweigerte die Gespräche mit den Eltern und das Essen.
Es kam wie es kommen musste – April wurde in eine Klinik eingeliefert. Die Worte der Mutter: „lass Phoebe da raus“. Verbote für Briefe und Besuche der Schwester. April schildert in ihren Briefen an Phoebe wie allein und verlassen sie sich in der Klinik fühlte und wie glücklich sie eine Umarmung und ein „Herzschlag“ gemacht haben, als Ihre Eltern sie schon lange „emotional“ verlassen haben.

Als ich die Briefe von April gelesen habe, musste ich manches Mal schlucken und habe über die Mutter geflucht. Wie konnte sie nur ihre Tochter selbst im Tod allein lassen?  

Die Briefe zeigen die Verbundenheit der Geschwister in jeder Zeile. Phoebe schreibt manchmal ein bisschen wirr – aber im Großen und Ganzen wie eine 9 jährige. Phoebe hat im Vater ihrer Freundin einen Zuhörer gefunden, der es weiß mit ihren Worten umzugehen. Auch hat Phoebe Freunde, die sie „auffangen“.

Gerne würde ich nun weiter lesen, um zu erfahren ob Phoebe die Briefe ihrer Schwester erhalten hat…