Rezension

Emotionale High Fantasy mit vielen Schwächen

Das vierte Siegel - Liane Sons

Das vierte Siegel
von Liane Sons

Die Führer der freien Reiche sind verzweifelt - der dunkle Fürst Camorra schickt sich an, die ganze Welt zu versklaven und sich dabei dunkler Mächte zu bedienen. Ein Hoffnungsschimmer sind drei Siegelträger, die laut einer uralten Prophezeiung das Blatt zum Guten wenden können. Aber bis dahin ist ein wirklich weiter Weg, denn die drei Auserwählten haben eigentlich ganz anderes im Sinne, als die Welt zu retten. 

So richtig glücklich war ich mit diesem Fantasyroman nicht. Die Geschichte wurde wohl ursprünglich in drei Teilen als ebook veröffentlicht und nun als überarbeitete und gekürzte Fassung in einem Teil herausgebracht. Ich finde, das merkt man deutlich und ich hatte ganz oft beim Lesen das Gefühl, dass mir gerade ein entscheidendes Stück der Handlung fehlt. 

Insbesondere am Anfang ging es mir so; den fand ich furchtbar holperig und beinahe hätte ich das Handtuch geworfen. Eine Häufung sprunghafter und unvermittelter Perspektivenwechsel zwischen den zahlreichen Handlungssträngen machte mir das Lesen unangenehm und verhinderten, dass ich einen Überblick über die Protagonistengruppen bekomme. Erst nach gut 300 Seiten fangen die Stränge an, sich zu vereinen, und ab da gings mir deutlich besser mit dem Buch - aber was für eine lange Durststrecke!

Auch der Sprachstil hat mich nicht gerade begeistert. Viele der Sätze, besonders im ersten Drittel, enden mit drei Punkten und bleiben offen - in so gehäufter Form verleidet mir dieses Stilmittel das Lesen doch beträchtlich. Manche Sätze fühlen sich grammatikalisch völlig falsch an, hier hätte ich mir ein gründlicheres Lektorat gewünscht. Auch manche Logikfehler hätten sich dadurch bestimmt vermeiden lassen, wenn zum Beispiel eine Figur plötzlich ein Schwert in der Hand hält, das da gar nicht hätte sein dürfen. Im Laufe der Lektüre hatte ich aber das Gefühl, diese Punkte verbessern sich zunehmend und die Autorin hat sich mit der Zeit "eingeschrieben". 

Die Stärken des Romans sind seine Figuren und sein Unterhaltungswert. Liane Sons hat eine griffige und nicht allzu komplexe Story zu Papier gebracht, so dass ich mich spätestens ab dem Mittelteil recht gut unterhalten fühlte. Die Geschichte ist zwar ziemlich kriegs- und schlachtenlastig, dennoch reichlich mit Emotionen gefüllt und man hat als LeserIn reichlich Gelegenheit, mit den Figuren mitzufühlen und ihre Entwicklung mitzuverfolgen. 

Besonders viel Spaß hat mir das Zusammenraufen der drei Siegelträger als Hauptprotagonisten gemacht; hier ist zwar einiges überzeichnet - die zickige Prinzessin, die sich ihr Kleid nicht schmutzig machen will, der ungehobelte und unnahbare Krieger, der sich einen Dreck um die Befindlichkeiten seiner Begleiter schert und der Weise aus dem Elfenbeinturm, der erstmals mit dem Leben in der Wildnis konfrontiert wird. Diese Kontraste bieten Konfliktstoff und einen hohen Schmunzelfaktor; wobei ich manches fast schon als unfreiwillig komisch empfand, aber wie gesagt, der Unterhaltungswert ist damit gesichert. Weitere Figuren betreten die Bühne und bekommen ihre Geschichte sozusagen auf den Leib geschneidert, was rückblickend recht gut gelungen ist. 

Der phantastische Anteil der Geschichte ist anfangs überschaubar, nimmt aber im Laufe der Handlung immer mehr zu. Ein schlüssiges magisches Konzept fehlt allerdings komplett, so dass man hier sehr viel Freiraum für eigene Interpretationen hat. Dagegen ist die mystische Komponente der vier Siegel im Vordergrund und dominiert vor allem den Schlußteil. Außerdem werden LeserInnen mit einer romantischen Ader gut bedient und können sich auf mehrere kleine Liebesgeschichten innerhalb des großen Ganzen freuen.

Mein Fazit: Ich fand den Roman ist nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Dank des zunehmenden Unterhaltungswertes und der gut ausgearbeiteten Figuren hab ich ihn bis zum Schluss gelesen, aber was Sprache, Stil und Plot anbelangt, ist da noch ganz viel Luft nach oben.