Rezension

Emotionen über Bord

In einem Boot - Charlotte Rogan

In einem Boot
von Charlotte Rogan

Bewertet mit 3 Sternen

"Wir betrachteten uns als Gruppe, mit Hardie im Mittelpunkt, ähnlich wie ein Sandkorn im Zentrum einer Perle liegt." (S.65) "Ich fragte mich, ob alles, worauf der Mensch hoffen darf, Illusion und Glück waren, denn mir wurde die Erkenntnis aufgezwungen, dass die Welt in ihrem Grundsatz ein erschreckend gefährlicher Ort ist." (S.95)

Inhalt:
Grace Winter ist 22 Jahre jung und seit 10 Wochen mit ihrem reichen Freund Henry verheiratet. Ihre Hochzeitsreise auf dem Dampfer Zarin Alexandra endet jedoch anders als gedacht - das Schiff  droht zu sinken und Henry kann gerade noch seine Frau in eines der Rettungsboote bringen bevor alle zu Wasser gelassen werden. Er selbst bleibt zurück. Fortan findet sich Grace mit vierzig anderen Insassen verloren und verlassen auf dem weiten Ozean wieder. Von Tag zu Tag sinkt ihre Hoffnung gerettet zu werden und auch die Vorräte neigen sich langsam dem Ende entgegen. Hardie, ein erfahrener Schiffsmann, versucht etwas Ordnung in den Tagesablauf der Überlebenden zu bringen, doch schon kurze Zeit später wird er zur Zielscheibe von einigen Personen, darunter Mrs. Grant und Hannah. Als dann jemand ausgelost wird, der über Bord gehen soll, scheint das Fass kurz vorm Überlaufen zu sein.
Wen wird es treffen und ist so etwas ethisch überhaupt vertretbar? Wie wird sich Grace verhalten? Und warum wird sie wenig später schon wegen Mordes vor Gericht stehen?
Saßen nicht alle als Freunde zusammen in einem Boot?

Meine Meinung:
Ich war schon sehr gespannt auf das Buch. Längere Zeit stand es auf meiner Wunschliste und nun konnte ich es dank der Leserunde auch endlich lesen. Leider muss ich sagen, dass ich mir mehr erhofft hatte.
Das Cover ist ein echter Blickfang und spiegelt sehr gut das Verlorensein der Gruppe auf dem großen Meer wieder. Kaltes Blau dominiert das Bild.
Die Geschichte an sich hat spannend begonnen, aber schon nach wenigen Kapiteln war mir die Protagonistin unsympathisch. Sie zeigte kaum Emotionen, wirkte kühl - genau wie das Wasser, das sie umgab.
Auch die anderen Insassen werden nur oberflächlich beschrieben, vielleicht damit der Leser sich auf das Wesentliche konzentriert - die Situation, mit anderen in einem Rettungsboot zu sitzen, mitten auf dem Meer. Für mich war die Geschichte dadurch aber sehr langatmig und ich konnte nicht mitfühlen (was ich bei einem Buch nunmal sehr schätze). Die einzige, der ich Gefühle abgekauft habe,  war Mary Ann.
Gleichzeitig zur Rettungsboot-Story, wird auch die ihrer Anklage vor Gericht erzählt. Zu Anfang war ich deswegen etwas verwirrt, aber dann konnte ich gut zwischen ihnen wechseln. Nichtsdestotrotz möchte ich noch erwähnen, dass das Ende für mich viele Fragen offen gelassen hat und Grace für mich dadurch noch unsympathischer wurde.

Fazit:
Von In einem Boot von Charlotte Rogan hatte ich viel erwartet, wurde aber etwas enttäuscht. Die Geschichte beginnt interessant und hat auch viel Potential, doch dieses wurde kaum ausgeschöpft. Die Charaktere sind mir zu oberflächlich beschrieben und auch die Protagonistin Grace wird mir eher unsympathisch in Erinnerung bleiben. Nach der Lektüre wird man sich aber wahrscheinlich selbst die Frage stellen müssen: Was hätte ICH in so einer Situation gemacht? Und genau DAS macht das Buch aus. Außerdem wird man etwas lernen: Dass Frauen unberechenbar sind - genau wie das Meer.