Rezension

Empathisches Ausnahmewerk

Der Sprung
von Simone Lappert

Bewertet mit 5 Sternen

Die Kleinstadt Thalbach ist in Aufruhr. Auf dem Dach eines Wohnhauses steht eine junge Frau – mutmaßlich suizidgefährdet. Die Rettungskräfte sind überfordert, schnell bilden sich schaulustige Menschentrauben. Doch auch für elf weitere Menschen in Thalbach ändert dieser Tag, diese Frau auf dem Dach, alles.

 

Erzählt werden die Ereignisse der zwei Tage deshalb auch aus elf verschiedenen Perspektiven. Die zunächst unbekannte Frau auf dem Dach kommt selber nur in Pro- und Epilog zu Wort. Simone Lappert gelingt es meisterhaft, all diesen unterschiedlichen Charakteren Leben und Persönlichkeit einzuhauchen. Da wäre Winnie, eine Teenagerin, die sich täglich Mobbing ausgesetzt sieht und an ihrer sozialen Isolation leidet, oder Egon, ein ehemaliger Hutmacher, der den Verlust seines Ladens bis heute nicht verwunden hat und als Vegetarier an seiner neuen Arbeit in der Fleischfabrik zugrunde geht.  Die Frau, die aus ihrer erdrückenden Beziehung flieht; der Obdachlose, der mit seinen außergewöhnlichen Fragen zum Nachdenken anregt; der junge Mann, der nicht mehr wirklich sicher ist, was er sich vom Leben zu erwarten hat. Besonders interessant fand ich auch die Geschichte von Felix, einem der Polizisten vor Ort, der nach all der Zeit nicht mehr vor seiner eigenen Vergangenheit davon laufen kann.

 

Die Sprache ist psychologisch dicht und poetisch angehaucht. Einige Sätze möchte man sich anstreichen und an möglichst viele Wände schreiben. Dabei bleibt Simone Lappert ihren Charkateren gegenüber durchgehend empathisch.

 

Das ist einer dieser Romane, dessen Ausdrucksstärke begeistert, dessen Charaktere man ins Herz schließt und deren Geschichten man mit sich trägt, auch nachdem man die letzte Seite umgeschlagen hat.