Rezension

Empfehlenswerter Auftakt einer neuen Reihe

Die Insel der Wünsche - Stürme des Lebens - -

Die Insel der Wünsche - Stürme des Lebens -
von Anna Jessen

Bewertet mit 5 Sternen

Handlung

Hamburg 1887

Tine Tiedkens lebt mit ihrer Familie im Gängeviertel. Um zum täglichen Einkommen etwas beizutragen, verdient sich Tine als Blumenmädchen etwas hinzu. Dabei begegnet sie Menschen aus verschiedenen Ländern, beobachtet feine Herrschaften und träumt selbst von einem anderen Leben. Und als sie einen jungen Hotelier aus Helgoland trifft, der ihr ein Auskommen in seinem Hotel zusichert, steht für Tine fest, dass sie auf der Insel nach ihrem Glück suchen möchte.

Doch schon kurz nach ihrer Ankunft stellt die junge Frau fest, dass nicht alles so rund läuft, wie sie es sich gedacht hat. Scheinbar alles hat sich gegen sie verschworen. Allerdings gibt Tine nicht so leicht auf, sie will mit ihrem freundlichen Wesen, vor allem aber mit ihrem Fleiß und Ehrgeiz überzeugen...

 

Meinung

Mir gefällt das Cover richtig gut. Es ist farbenfroh und stimmungsvoll, was ich als sehr ansprechend empfinde. Im Hintergrund sieht man einige Einblicke in die Landschaft des Handlungsortes Helgoland, sowohl das Meer, als auch der charakteristische rote Felsen wurden abgebildet und auch die Natur wurde unter anderem mit viel Dünengras und Sand ausgestattet.

Dazu ist noch eine Dame zu sehen, sie ist der Mode der Zeit um 1890 entsprechend gekleidet und gibt in diese Thematik einen Einblick. Im Hintergrund ist noch ein Ausschnitt eines Hauses, wahrscheinlich eines Hotels zu sehen. Auch mit diesem Gebäude wird ein Teil der Handlung aufgegriffen, so ähnlich habe ich mir das Hotel Heesters auf Helgoland vorgestellt.

Außerdem gibt es noch den Himmel, der in verschiedenen Nuancen erstrahlt, dieser ist wunderbar abwechslungsreich und gibt dem Cover noch den letzten Schliff. Ein sehr schönes, stimmiges und ansprechendes Gesamtbild!

 

Als Zusatzmaterial wurde vor dem Start der Geschichte eine Karte abgedruckt, auf der ein Teil von Helgoland zu sehen ist. Anhand dieser kann man sich einen Eindruck von der Insel verschaffen, kann schauen, wo sich einige Gebäude befinden und teilweise auch Wege nachverfolgen. Zwar wurde nicht jeder Handlungsort eingetragen, trotzdem fand ich es sehr hilfreich, dass die Karten abgedruckt wurden. Ich hatte vorher nicht wirklich ein Bild der Insel vor Augen und musste so nicht erst im Internet schauen, wie der Aufbau von Helgoland ist. Ein sehr passendes und gutes Detail!

 

Die 544 Seiten des Romans wurden in sechs Teile gegliedert, welche dann jeweils noch in Kapitel eingeteilt wurden. Die neuen Teile haben kleine Überschriften, die stets einen Bezug zur Handlung haben und in wenigen Worten wiedergeben, unter welchem Motto die folgenden Seiten stehen. Zudem wurde hier auch immer der Handlungsort, sowie eine Jahreszahl abgedruckt, weshalb man stets einen guten zeitlichen Überblick hat und genau benennen kann, wie viel Zeit letztendlich verstreicht.

Ich muss ehrlich sagen, dass es mich am Ende etwas überrascht, dass lediglich zwei Jahre innerhalb der Geschichte vergehen. Mir war zwar klar, dass sich die Handlung nicht sehr stark ausstreckt, aber so ein geringer Zeitraum war irgendwie doch überraschend. Es geschieht so viel, zudem werden viele Situationen und Tage ziemlich genau beschrieben, sodass ich einen anderen Eindruck hatte. Allerdings finde ich es am Ende gut, dass nicht zu viele Jahre in dem Roman beschrieben werden, sondern man die Protagonisten über einen nicht zu langen Zeitraum verfolgt und beobachtet, so sind die Entwicklungen deutlich stärker zu sehen. So war es mir auch möglich, eine bessere Bindung zu den Personen aufzubauen und es gab viele Einblicke in die Lebensweisen von ihnen.

 

Ich mochte es, dass der Roman ziemlich ruhig und beobachtend beginnt. Man hat genügend Zeit, um sich von Tine, ihrer Familie und ihrer Lebenssituation in Hamburg ein Bild zu machen. Man kann genau verfolgen, wie ihre Gedanken und Gefühle sind und welche Wünsche sie für die Zukunft besitzt.

Es dauert überraschend lange, bis Tine endlich ihren Entschluss fasst und wirklich nach Helgoland zieht, um dort einen Job anzunehmen. Und genau das mochte ich. Es gibt ein beobachtendes Erzählen, man kann sich von den einzelnen Szenen ein starkes Bild zusammensetzen und die Entwicklungen genaustens beobachten. Das hat für mich den Charme des Buches ausgemacht, wie genau man manche Tage im Leben der Personen miterlebt und wie genau jede einzelne Szene beschrieben wurde. Deshalb konnte ich mich stark von der Geschichte einlullen lassen und bin auch so begeistert von dem Auftakt der Reihe!

Die Sprache hat natürlich auch dazu beigetragen, dass ich so viel Freude beim Lesen hatte. Sie ist unglaublich detailliert und bildhaft, lässt zu, dass man sich genaue Bilder von den jeweiligen Kapiteln, Personen und Orten machen kann und hat bei mir bewirkt, dass ich mich wie ein heimlicher Beobachter der Szenen gefühlt habe. So, als würde ich in einer Ecke des Raums oder der Landschaft stehen und genau betrachten, wie sich die Figuren bewegen und welche Mimik und Gestik sie nutzen. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich so gern mit dem Buch beschäftigt und die Geschichte mit viel Interesse gelesen haben.

Ich finde, dass die Sprache auf einem angenehmen und recht leichten Niveau gehalten wurde. Das ermöglicht nicht nur ein flüssiges und problemloses Lesen, sondern auch ein leichtes Einlassen auf die Ereignisse. Man kann sich genaue Bilder von jeglichen Szenen, Figuren und Orten machen, zudem ist die Erzählung sehr lebendig und realitätsnah. Bei vielen Momenten konnte ich mir gut vorstellen, dass sie genau so hätten passiert sein können.

Anspruch erhält die Schreibweise anhand von historischen Details und Fakten, die wohldosiert und in einem angenehmen Umfang in die Geschichte eingebunden wurden. Diese geben ein solides Bild der Handlungszeit und zeigen auf, mit welchen Problemen und Sorgen, Hoffnungen und Ängsten sich die Bevölkerung herumgeschlagen hat. Zudem lernt man auch einiges über die Geschichte der Insel Helgoland, unter anderem wird behandelt, unter welcher Herrschaft sie über die Jahre war. Anhand von Diskussionen, die die Figuren darüber halten, kann man verfolgen, wie sie über die Politik denken und man erhält allerhand Informationen über Entwicklungen. Das hat letztendlich ein rundes Bild davon ergeben, was die Bewohner, aber auch Besucher der Insel Helgoland denken und wie sie die politischen Entwicklungen betrachten.

 

Es gibt zwei Handlungsorte, rund die ersten hundert Seiten, sowie wenige Seiten mitten in der Geschichte spielen in Hamburg. Hier lernt man vor allem den Hafen, aber auch das Gängeviertel kennen, an diesen zwei Orten spielt der Hauptteil in der Hansestadt. Am Hafen der Stadt Hamburg lernt man nicht nur einen Teil der Arbeiten kennen, die u.a. für ein reibungsloses Be- und Entladen der Schiffe nötig sind, sondern hier treffen auch ein Stück weit zwei Welten aufeinander. Einmal kann man hier gut die Arbeiter beobachten, die für einen geringen Lohn stark schuften müssen und sich teilweise jeden Tag eine andere Arbeit suchen. Zugleich treffen hier auch Gäste aus verschiedenen Ländern ein, die eindeutig der besseren Gesellschaft angehören und zum Urlaub oder für Geschäfte in der Stadt sind. Daher empfand ich den Hafen als interessanten Ort, hier treffen Menschen aus unterschiedlichen Schichten aufeinander und es ergibt sich ein Abbild der Gesellschaft.

Bei der Darstellung von Helgoland haben mir vor allem die traumhaften Beschreibungen der Insel gefallen. Diese konnte ich mir sehr lebhaft vorstellen und habe es geliebt, mit den Personen durch die Gegend zu streifen. Sowohl von den Gebäuden, Hotels und Privathäusern, als auch von der Natur hatte ich viele Bilder vor Augen und konnte mir auf Anhieb vorstellen, was gerade beschrieben wurde.

Ich empfand den Vergleich zwischen dem lauten, aufregenden und freizügigen Hamburg und dem beschaulichen und eher ruhigen Helgoland sehr interessant. Es treffen zwei komplett unterschiedliche und spannende Welten aufeinander, die beide auf ihre Art überzeugen können und für ein abwechslungsreiches Setting sorgen. Beide Handlungsorte haben viel Charme, wurden stimmungsvoll beschrieben und haben mir gut gefallen!

 

Für mich war die Handlung nur sehr selten vorhersehbar. Grob hatte ich eine Vorstellung davon, wie die weitere Geschichte aussehen könnte, jedoch wurde ich oft davon überrascht, wie die Entwicklung dessen tatsächlich aussieht. Häufig gibt es Wendungen und Ereignisse, die der Handlung eine vollkommen neue Richtung gegeben haben und die ich nicht so erwartet hatte. Entweder hatten meine Vermutungen eine vollkommen andere Tendenz oder ich war tatsächlich ratlos und konnte nicht genau sagen, wie ich mir die weitere Geschichte vorstellen würde. Daher blieb die Spannung auf einem sehr guten Niveau, ich wurde immer wieder überrascht und bin sehr zufrieden mit der Entwicklung der Handlung.

 

Ich finde, dass die Stimmung vor allem im Zusammenhang mit dem Setting, selten auch mit den Protagonisten auftaucht. Je nachdem, ob ich einen Handlungsort, aber auch eine Figur sympathisch oder unsympathisch empfand, hatte dies große Auswirkungen auf die Stimmung. Diese erstreckt sich am über verschiedene Emotionen und zeigt nicht nur das Setting in mal mehr, mal weniger strahlenden Farben, sondern ist auch wichtig, dass die Personen so lebendig und realistisch auftreten. Außerdem mag ich es sehr, wie viele Facetten die Figuren von sich selbst zeigen und sich nicht scheuen, ihre Emotionen offen heraus- und den Leser daran teilhaben zu lassen.

 

Es gibt eine umfassende Auswahl an verschiedenen Personen, die mit besonderen Merkmalen und ihrem eingängigen Charakter sofort im Gedächtnis bleiben. Direkt vom ersten Auftritt an hatte ich keine Probleme, die Figuren im Folgenden wiederzuerkennen und ihnen bestimmte Merkmale zuzuordnen. Sie zeigten verschiedene Facetten ihrer Person, sichtbare Entwicklungen und blieben stets sich und ihren Wünschen treu. Es gibt gute Entwicklungen, die sowohl in eine positive, als auch in eine negative Richtung ausfallen. Dabei ist es oft interessant, die Gedankengänge der Personen, allen voran natürlich von Tine zu verfolgen, dadurch hatte ich das Gefühl, gerade ihrem Charakter näher als den anderen zu sein.

Zudem mochte ich die Vielfalt der Protagonisten. Es treten Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen auf, man kann sich so einen Eindruck der Gesellschaft verschaffen. Man trifft viele Menschen mit verschiedenen Berufen, die mal mehr, mal weniger angesehen in der Bevölkerung sind und kann so schauen, wie auf diese Personen reagiert wird. Dies ergibt am Ende ein großes Gesellschaftsbild, welches abwechslungsreich und realistisch ist und einen Blick auf die Bevölkerung bietet.

 

Fazit

Normalerweise beginne ich Romane mit einer gewissen Erwartungshaltung, bei diesem Buch hatte ich allerdings keine Erwartungen. Keine Ahnung, wieso das so war, allerdings ist dies vielleicht auch der Grund, weshalb ich am Ende so begeistert von dem Buch bin. Selbst wenn ich ausführlich darüber nachdenke fällt mir kein Aspekt ein, der mir nicht gefallen hat und den ich kritisch betrachte. Es liegt eine durch und durch runde und stimmige, unterhaltsame, mitreißende und spannende Lektüre vor, die mir viele schöne Lesestunden beschert hat und die ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann. Ich bin sehr positiv überrascht von dem Buch und freue mich arg auf die Fortsetzungen!