Rezension

Ende oder Neubeginn

Schnee in Amsterdam - Bernard MacLaverty

Schnee in Amsterdam
von Bernard MacLaverty

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein verlängertes Wochenende im winterlichen Amsterdam soll für Stella und Gerry ihre in Gewohnheit erstarrte Ehe etwas auflockern. Der einzige Sohn lebt in Übersee und jetzt im Ruhestand tritt die Unzufriedenheit mit ihrer Beziehung zu Tage. Ein Satz Stellas veranschaulicht dies: „ Wie gut, dass wir einander zum Ignorieren haben.“
Doch in der neuen Umgebung werden die tiefen Risse in ihrer Ehe deutlich, ist es eigentlich noch Liebe oder nur noch Gewohnheit, die die Beiden zusammenhält? Es ist nicht nur die eisige Kälte der Wintertage die dieses Buch durchzieht, mit jedem Satz spürt man auch die Kühle in dieser Ehe. Gerry ist Alkoholiker, obwohl beide wohl vermeiden, es auszusprechen. Aber es geht ihm nur noch um den nächsten Drink, den rechtzeitigen Nachschub und das heimliche Entsorgen von geleerten Flaschen. Auch wenn er es wahlweise nur einen Aufwärm-, Entspannungs-, oder Gute-Nacht-Schluck nennt. Stella mag es nicht länger ignorieren. Aber auch Stella ist nicht ehrlich, längst verfolgt sie für sich ein anderes Ziel und zieht Gerry nicht in ihre Überlegung ein. Eine tiefe Frömmigkeit ist ihr Rückzugsort, geprägt auch vom Religionskonflikt in Nordirland, mit dem Beide aufwuchsen und der auch ihr Leben entscheidend geprägt hat.
Es ist eine ganz einfach erzählte Geschichte, zwischen den Zeilen entwickelt der Autor ein ganzes Lebenspanorama. Aber in dieser Einfachheit liegt auch die große Kunst und die literarische Stärke. MacLavertys. Allerdings passiert es mir selten, dass mir die Protagonisten so fremd, ja sogar gleichgültig bleiben. Zunehmend empfand ich Stellas und Gerrys Gesprächsversuche als larmoyant. Das änderte sich auch nicht, als das große Lebensgeheimnis Stellas ans Licht kommt. Eine Begebenheit, die ihrem Leben eine ganz andere Richtung gab und mit deren Last sie nicht zurecht kommt.
Auch wenn ich die stilistische und sprachliche Kunst des Autors anerkenne, gepackt hat mich sein Roman nicht wirklich.
Das Buch bleibt zum Schluss offen – ob Stella und Gerry noch einen Weg finden, wer weiß? Einen kleinen Hoffnungsschimmer scheint es zu geben.